Musik auf Websites unter Usability-Aspekten

Längst nicht nur Unternehmen, die unmittelbar mit Musik zu tun haben, sehen die Einbindung automatisch startender Klangbeispiele in ihre Website als reizvolle Werbemöglichkeit, als Chance zur nachdrücklichen Vermittlung von Botschaften oder als gut gemeinte Unterhaltung des Nutzers an.

In einem Kaufhaus läuft doch auch Musik!

Diese oft wiederholte Rechtfertigung wird in diesem Zusammenhang nicht selten angeführt. Doch ebenso häufig ist man sich nicht über die negativen Auswirkungen im Klaren, die die Integration von Musik auf die Usability eines Internetauftritts hat.

Wir führen hier Argumente an, die aus dem Usability-Blickwinkel klar gegen Musik auf Websites sprechen.

Aufgabenangemessenheit

  • Das Kaufhausargument ist ein Scheinargument, denn die Ausgangssituationen im Internet und in einem Geschäft sind grundverschieden. Mit dem Einkauf im Supermarkt erfüllen Menschen zumeist eine Pflichtaufgabe, die durch Hintergrundmusik angenehmer gemacht werden soll. Der Besuch einer Website folgt indes zumeist einer konkreten Zielstellung. Hier lenkt Musik von einer Aufgabe ab, insbesondere dann, wenn der Nutzer die Musik überhaupt nicht mag. Wenn das der Fall ist, beeilt sich der Einkäufer im Supermarkt möglicherweise mehr, der Internet-Nutzer verlässt die Seite einfach.

Nutzerspektrum

  • In aller Regel ist das Nutzerspektrum einer Website heterogen. Das bedeutet schlicht, dass die eingespielte Musik mit Sicherheit einem gewissen Prozentsatz der User nicht gefällt. Wer bei der Aufgabenerfüllung durch die für ihn unangenehme Musik gestört wird, reagiert im besten Fall leicht verärgert und verlässt im schlimmsten Fall die Seite auf Nimmerwiedersehen.

Aufdringlichkeit

  • Musik wird vor allem dann als aufdringlich empfunden, wenn sie sich mit anderen Klängen vermischt. Viele Menschen hören beim Browsen im Internet ihre eigene Musik und der sich aus automatisch startender zusätzlicher Musik ergebende Soundbrei ist absolut lästig. Darüber hinaus lässt sich die Lautstärke von Klängen mitunter nicht ohne weiteres regeln, zum Beispiel durch festgelegte Browsereinstellungen oder Einstellungen am Endgerät. So kann die Musik schon aufgrund ihrer hohen Lautstärke als unangenehm empfunden werden.

Geschwindigkeit

  • Nicht jeder User verfügt über eine Breitbandverbindung. Musikdateien sind groß und müssen geladen werden. Das verzögert den Seitenaufbau bei langsamen Systemen unverhältnismäßig.

Accessibility

  • Musik genügt nicht den Anforderungen der Accessibility und steht der Barrierefreiheit einer Website entgegen. Nutzer mit eingeschränkter Hörfähigkeit werden ausgeschlossen.

Nutzungssituation

  • Viele User besuchen Websites am Arbeitsplatz, unterwegs oder in anderen Lagen, in denen sie nicht auffallen möchten. Unvermittelt aus den Lautsprechern dröhnende Musik stört nicht nur andere Menschen, sondern kann für den Nutzer selbst zu unangenehmen und peinlichen Situationen führen.

Technische Umsetzung

  • Die Einbindung automatisch startender Musik in eine Website inklusive aller Ebenen ist nicht unkompliziert und erfordert einige programmiertechnische Maßnahmen und Umwege, aus denen weitere Usability-Probleme resultieren können.

Wer nicht auf die Integration von Musik verzichten möchte, sollte im Hinblick auf die Usability seines Internetauftritts dem User zumindest die Wahl lassen, ob er ein Klangbeispiel hören möchte oder nicht. Musikdateien sollten also nur auf aktiven Nutzerbefehl hin starten. Es gilt sich genau zu vergegenwärtigen, dass der negative Effekt bei Nutzern, die sich gestört fühlen, weitaus größere Auswirkungen hat als der positive Effekt bei den Usern, die die entsprechende Musik als angenehm empfinden.

Argumente und Entwurf: Sebastian Preuss. Redaktion und Operationalisierung: Matthias Rauer.

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5 thoughts on “Musik auf Websites unter Usability-Aspekten”

  1. Ausnahmen bestätigen ja wie immer die Regel und widerlegen eine grundsätzliche Aussage. Auf einer Künstlerwebsite der Musikindustrie erscheint mir die Einbindung von Hintergrundmusik als sehr vorteilhaft 😉

  2. Von welcher Art von Webseiten wird hier eigentlich gesprochen? Eine Corporate Website z.B. ist ein Instrument, das Unternehmen und Marken nutzen, um sich ihrer Umgebung mitzuteilen. Dabei wird neben den rein sachlichen Inhalten auch die Identität des Unternehmens mit seinen Werten, seiner Herkunft, seiner Vision etc. vermittelt. Insbesondere in einer Situation, in der die Produkte oder Dienstleistungen aus qualitativen Aspekten austauschbar sind, spielen Image und Marke als Differnzierungs- und Orientierungsmerkmal eine zunehmende Rolle.

    Ich hätte mir in diesem Artikel gewünscht, dass die hier pauschal genannten „User“ etwas zielgruppenspeziefischer behandelt worden wären und dass anstatt dem Vergleich mit „Kaufhausmusik“ auch der Aspekt Unternehmenskommunikation mit berücksichtigt worden wäre.

    Führende Kommunikationsexperten und Markenspezialisten nutzen Sound-Branding jetzt schon als Basiselement für Unternehmenskommunikation und sehen den Trend eher dahingehend dass Musik bzw. Sound im Internet zum Standard wird.

    Die Aussage „Es gilt sich genau zu vergegenwärtigen, dass der negative Effekt bei Nutzern, die sich gestört fühlen, weitaus größere Auswirkungen hat als der positive Effekt bei den Usern, die die entsprechende Musik als angenehm empfinden.“ halte ich für falsch. Man muß das quantifiziert sehen. Ein kleines Gedankenspiel: Wenn auf einem großen Festessen von 100 Leuten 12 Vegetarier, und 3 Veganer dabei sind. Soll man dann prinzipiell für alle veganisch kochen, nur dass die sich nicht gestört fühlen??? 😉
    Was erreicht der Gastgeber damit?

    Zu erwähnen wäre noch, dass ich selbst der Meinung bin, dass auf einem Weblog oder einem Informationsportal Musik sicher fehlplaziert wäre. Zudem sollte ein Trailer nach wenigen Sekunden enden…

  3. Weiten wir das Gedankenspiel mal aus 🙂 Wenn wir davon ausgehen, dass ein Website-Betreiber Geld verdienen will und letztlich etwas von den Usern möchte (Verkäufe, Abschlüsse etc.), dann könnte man analog auch das Festessen aus diesem Blickwinkel betrachten.

    Die 100 geladenen Bankett-Gäste sind allesamt potenzielle Kunden des Gastgebers und das Mahl findet z.B. im Vorfeld einer Produktpräsentation statt. Würde der Gastgeber einen noch so geringen Teil dieser möglichen Kunden nerven und sich selbst in ein schlechtes Licht setzen wollen, indem er auch den Veganern Haxe servieren lässt?

    Möchte ein guter Gastgeber einen Teil der Interessenten vergrätzen? Er wäre wohl eher darum bemüht, sich von seiner besten und flexibelsten Seite zu zeigen und seinen potenziellen Kunden beim Menü die Wahl lassen.

    Naja, das Szenario lässt sich sicher noch ordentlich hin und her drehen 😉

  4. Deshalb wär’s ja eine Option, wenn jeder die Wahl hätte (wie im letzten Absatz oben vorgeschlagen). Aber klar, ein wenig hinkt der Vergleich. Aber ich kann Sebastians Argumente ebenso wie Deine nachvollziehen. Ein Text “Musik auf Websites als Mittel der Unternehmenskommunikation” böte sich ja als Gegenstück zu diesem Artikel mal an.

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