Texte, die ankommen: Über das Geheimnis guter Kommunikation in der Werbung

Ein Werbetext muss mehr enthalten als reine Fakten, Argumente und die Bestellmöglichkeit. Der Text hat zusätzlich die Aufgabe, die Zielgruppe, hinter der immer Menschen stehen, zu umgarnen, zu begeistern und zu aktivieren. Sein Ziel ist es, die Botschaft an der richtigen Stelle im Bewusstsein der Zielgruppe zu verankern. Die Botschaft muss deshalb vom Absender so aufbereitet sein, dass dem Empfänger bereits eine Assoziation vorgegeben wird, damit dieser die Botschaft richtig interpretiert und abspeichert.

Das Schreiben eines guten Textes ist schwer.
Das Verkaufen eines guten Textes ist noch viel schwerer.

Was macht Texte „merk-würdig“?
Für das Gehirn ist es unmöglich, die gesammelte Flut der heutigen Werbebotschaften zu verarbeiten. Deshalb filtert das Gehirn alle eintreffenden Informationen und speichert nur diejenigen, von denen es „annimmt“, dass sie benötigt werden. Emotionale Signale und Informationen, die uns an- oder aufregen, werden im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Belangloses, das keine Emotionen erzeugt, rauscht durch, ohne eine Spur zu hinterlassen. Für die Werbepraxis sind wissenschaftliche Erkenntnisse über solche Vorgänge im menschlichen Gehirn von enormer Bedeutung.

Texte lösen Emotionen aus,

  • wenn sie unsere Sinne aktivieren, das heißt sichtbar, hörbar, fühlbar, duftend und schmeckend sind. Je mehr Sinne stimuliert werden, desto besser werden Texte wahrgenommen und abgespeichert.
  • wenn sie anschaulich sind. (80% der Menschen nutzen das visuelle System als primäres Wahrnehmungssystem.)
  • wenn sie uns interessieren und einen Nutzen versprechen.
  • wenn sie kurz und prägnant sind.
  • wenn unser Gehirn einen Zusammenhang zu bereits gespeichertem Wissen feststellen kann.
  • wenn sie irritieren, also unser Gehirn einen Widerspruch registriert und diesen zu klären versucht.
  • wenn wir den Absender sympathisch finden.

Ein Blick auf die Perspektive: „Sie“ statt „Wir“
Viele Firmen schreiben ihre Werbetexte aus der Wir-Perspektive. Sie preisen ihre Produkte und Leistungen an und vergessen dabei, was der Kunde wirklich will. Ein guter Text ist kundenorientiert und stellt den Empfänger in den Mittelpunkt. Die Produkt- bzw. die Markenorientierung treten zunächst in den Hintergrund. Ein guter Werbetexter muss sich deshalb beim Ausformulieren eines Textes darüber bewusst sein, für wen er schreibt: Nicht für seinen Arbeitgeber und auch nicht für die Entscheider des Unternehmens, das mit dem Text für sich wirbt. Der Leser des Textes ist der Endkunde. Der Texter hat die Aufgabe, sich in diesen Leser hineinzuversetzen. Dazu muss er Antworten auf folgende Fragen finden und berücksichtigen:

  • Was will der Leser?
  • Was denkt der Leser?
  • Was fühlt der Leser?
  • Was wünscht sich der Leser?
  • Welche Hoffnungen hat der Leser?
  • Welche Ängste hat der Leser?
  • Welche Probleme hat der Leser?

Erfolgreiche Werbetexte gehen auf die Interessen der Zielgruppe ein und verwenden dabei Sprachbilder, zu denen der Leser sofort Assoziationen aufbauen kann. Ein guter Text ist Helfer, Problemlöser, Dienstleister, Freund, Versteher, Partner und dann erst Verkäufer.

Im Fokus: Die Sprache der Zielgruppe
Zielgruppen unterscheiden sich nicht nur nach Einkommen, Bildung, Alter und Lebensgewohnheiten, sondern auch durch Sprache. Wer versucht, alle mit derselben Sprache anzusprechen, läuft Gefahr, von niemandem verstanden zu werden.

Was in der Literatur, im Journalismus und im Dialog-Marketing bereits üblich ist – nämlich der Einsatz von zielgruppenspezifischer Sprache – ist in der klassischen Werbung noch immer die Ausnahme. Armin Reins, Autor des Buches „Corporate Language“, hat anhand des Zeitschriftenangebots in Deutschland vier verschiedene Sprachstilgruppen identifiziert:

  1. Die Wertorientierten – sie lesen beispielsweise die FAZ, die Süddeutsche Zeitung, den Stern und die Brigitte und bevorzugen anspruchsvolle Texte.
  2. Die Gefühlsorientierten – sie sind Leser der BILD, der Gala und der Bunten und empfänglich für emotionale Texte.
  3. Die Trendorientierten – ihre Medien sind Max, Neon und brand eins. Ihr Fokus liegt auf reizstarken Texten.
  4. Die Ergebnisorientierten – sie lesen unter anderem das Handelsblatt oder Fleischwirtschaft. Für diese Sprachgruppe müssen die Texte faktenreich gestaltet sein.

Überträgt man diese Sprachstilgruppen auf Werbetexte, darf eine fünfte Gruppe nicht außen vor bleiben: die Verweigerer. Sie hassen Werbung und sind deshalb nur sehr schwer erreichbar.

Grundsätzlich gilt: Jeder Mensch kann jeder Gruppe angehören. Jeder kann theoretisch fünf Sprachen sprechen. So kann beispielsweise ein und dieselbe Person im Zusammenhang mit technischen Geräten eher ergebnisorientierte und bei Werbung für Kosmetikartikel gefühlsorientierte Texte bevorzugen, bei Werbetexten für Handy-Verträge aber als Verweigerer auftreten.

Für Unternehmen gilt: Als Absender kann der Werbetreibende theoretisch mit verschiedenen Sprachstilgruppen sprechen. Wichtig ist dabei allerdings, dass die einzelnen Sprachgruppen nicht gemischt werden. Für ein Unternehmen, das mit seinen Produkten verschiedene Sprachstilgruppen ansprechen muss, kann ein Lösungsansatz beispielsweise im Einsatz verschiedener Medien für verschiedene Sprachstilgruppen sein.

Auftraggeber vs. Texter
Im Prozess des Textens kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen Texter und Auftraggeber. Aus Sicht des Unternehmens, das als Auftraggeber agiert, ist es wichtig, dass der Produktname möglichst früh erscheint, dass Texte die Kernbotschaft des Angebots wortgetreu enthalten und auch wirklich alle Vorteile des Produktes aufgeführt werden.

Texter dagegen kennen die Bedeutung der Dramaturgie, des roten Fadens zwischen den einzelnen Elementen, der Wortwahl im Bezug auf die Zielgruppe. Sie wissen, wie wichtig Rhythmik und Satzlänge, Stilmittel und formale Möglichkeiten (Einzüge, Flattersätze, Hervorhebungen) sind. Leider werden diese Faktoren oft unterschätzt und deshalb nur selten diskutiert.

Wer versucht, alle mit derselben Sprache anzusprechen, läuft Gefahr, von niemandem verstanden zu werden.
Wer versucht, eine Sprache zu sprechen, die ihm keiner abnimmt, wird es ebenfalls schwer haben, wahrgenommen zu werden.

Quelle und Grundlage dieses Artikels: Reins, Armin: Corporate Language - Wie Sprache über Erfolg oder Misserfolg von Marken und Unternehmen entscheidet, Mainz, Hermann Schmidt Verlag 2006.

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