Internet-Recht: Kritische Äußerungen im Internet (falschgutachter.info)

Das Internet dient in vielerlei Hinsicht zu Informationszwecken und bietet die Möglichkeit, seine Meinung zu äußern – ein Bedürfnis, das auch mehr und mehr in kommerziellen Angeboten berücksichtigt wird. Wer sich viel im Internet bewegt wird häufig dazu aufgefordert, seine Meinung abzugeben – sei es im Rahmen von Produktbewertungen bei Amazon und vergleichbaren Anbietern, sei es, dass wir den Vertragspartner auf eBay bewerten sollen oder dass wir im Rahmen von Medizinportalen dazu aufgefordert werden, unseren Hausarzt zu beurteilen.

Gleichermaßen werden immer mehr Websites und Portale betrieben, die sich der kritischen Auseinandersetzung mit bestimmten Themen widmen. Nicht immer führt eine Bewertung zu einer Steigerung der Erfolgszahlen, sondern Kritik kann auch vernichtend sein. In all diesen Fällen stellt sich immer wieder die Frage, wo die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung bzw. Kritik liegen.

Kritik an Gutachter: Persönlichkeitsrecht vs. Meinungsfreiheit

In einem aktuell entschiedenen Fall musste das LG Hamburg darüber befinden, inwieweit eine im Internet veröffentlichte Kritik an einem Sachverständigen zulässig ist.

Der Kläger war Zahnarzt und als Gutachter tätig. Die Beklagte war eine Stiftung, die ein Informationsportal unter der Domain falschgutachter.info betrieb. Auf der Internet-Seite wurde eine Liste mit medizinischen Gutachten veröffentlicht, die die Beklagte für kritikwürdig hielt. Dabei nannte die Beklagte auch die Namen der Verfasser.

In einem Eintrag auf der Webseite wurde auch ein Gutachten des Klägers kritisiert, das er sieben Jahre zuvor erstellt hatte. Das Gutachten wurde unter anderem als „zusammengeschustert“ bezeichnet, um den „Nachbehandler (…) zu schützen“. Dabei seien einem bestimmten Zahnimplantat „Eigenschaften angedichtet, welche nicht der Wahrheit entsprechen“. Weiterhin müsse festgestellt werden, dass „einige Zahnärzte in skrupelloser Weise die Ahnungslosigkeit von Patienten ausnutzen, um sie mehrfach unnötig zu operieren und um mehr Geld zu verdienen. Solche Zahnärzte verfügen mitunter über die nötigen Beziehungen, um ,Gutachten’ erstellen zu lassen, die ihre Handlungsweise vor der rechtlichen Verfolgung schützen.“

Der Kläger wandte sich gegen seine namentliche Nennung und die herabsetzende Berichtserstattung über sein Gutachten auf der Seite www.falschgutachter.info.

Die Richter wogen das Persönlichkeitsrecht des Klägers gegen die Meinungs- und Berichterstattungsfreiheit des Portalbetreibers ab. Für den Kläger und sein Interesse, anonym zu bleiben, sprach, dass er sich mit dem Gutachten und seiner beruflichen Tätigkeit nicht selbst anderweitig in die Öffentlichkeit begeben hatte.

Für den Portalbetreiber sprach, dass eine gutachterliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich für die Öffentlichkeit ein bedeutsames Thema darstellt und er Aufklärungsarbeiten leisten wollte. Dieses grundsätzlich anerkennenswerte Interesse wurde allerdings dadurch geschwächt, dass die Erstellung des kritisierten Gutachtens bereits sieben Jahre zurücklag und es sich um ein einziges Gutachten des Klägers handelte, also keine weiteren, aktuellen Gutachten von ihm kritisiert wurden.

Hinzu kam, dass den Beurteilungen durch das Portal auch ein werbender Charakter zu entnehmen war, da ein bestimmtes Implantat, zu dessen Erfinder unternehmerische Verbindungen bestanden, immer wieder in den verschiedenen Kritiken positiv hervorgehoben wurde.

Nach Ansicht des LG Hamburg wurde insgesamt durch die gewählten Formulierungen der Eindruck erweckt, dass der Kläger unseriös sei und regelmäßig falsche Gutachten erstelle. Diese Rufschädigung musste der Kläger nicht hinnehmen. Das Gericht gab dem Gutachter Recht, da er in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Die Richter sahen dabei die Rechtsverletzung allein schon darin, dass der Kläger namentlich auf der Internetseite falschgutachter.info genannt wurde (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 05.08.2009, Az. 325 O 9/09).

Hintergrundinformation: Meinungsäußerung oder Schmähkritik?

Wenn sich jemand über eine andere Person sehr kritisch äußert, kann es dazu kommen, dass sich das Persönlichkeitsrecht des Kritisierten auf der einen Seite und das Recht auf freie Meinungsäußerung des Kritisierenden auf der anderen Seite gegenüberstehen. In einem solchen Fall ist zunächst zu hinterfragen, ob die Äußerung eine Tatsachenbehauptung ist. Tatsachenbehauptungen können wahr oder falsch sein (Beispiele: „Der Schnee ist weiß!“ oder „Weihnachten ist im September!“). Sie können also nachgeprüft und durch Beweis bestätigt oder widerlegt werden.

Der Gegenpart zu einer Tatsachenbehauptung ist ein Werturteil, das eine bloße Meinung oder subjektive Wertung ausdrückt, ohne dass sich dies irgendwie belegen ließe (Beispiel: „Das Essen schmeckt nicht.“). Hinsichtlich der Tatsachenbehauptungen ist die Sache prinzipiell einfach: Wahre Tatsachenbehauptungen über andere sind zulässig; unwahre Tatsachenbehauptungen sind unzulässig.

Schwieriger stellt sich die Situation dar, wenn es sich um Werturteile handelt. Werturteile unterfallen grundsätzlich dem Schutz der freien Meinungsäußerung. Erst wenn die Grenze zur sog. Schmähkritik überschritten ist, muss sich der Kritisierte das nicht mehr gefallen lassen.

Wegen der großen Bedeutung der Meinungsfreiheit liegt eine Schmähkritik nicht bereits in der herabsetzenden Wirkung einer Äußerung für Dritte, selbst wenn es sich um eine überzogene oder sogar ausfällige Kritik handelt. Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. OLG Köln, Urteil vom 06.01.2009, Az. 15 U 174/08).

Anmerkung

Soweit ersichtlich, gibt es bisher zu im Internet veröffentlichten Kritiken an medizinischen Gutachtern keine weiteren Urteile. Gerade der Gesundheitsbereich ist ein Bereich von hoher Sensibilität für alle Betroffenen. Verständlicherweise sind die berufliche Tätigkeit eines Sachverständigen und dessen bereits erstatteten Gutachten von besonderem Interesse. Dieses Interesse muss allerdings auch rechtliche Grenzen finden, wie an diesem Fall erkennbar ist. Es bleibt abzuwarten, inwieweit andere Gutachter das Urteil zum Anlass nehmen, gegen Berichterstattungen über sie vorzugehen.

Wer sich der kritischen Berichterstattung verschrieben hat, tut gut daran, auch bei scharfer Kritik ein Mindestmaß an Sachlichkeit zu bewahren. Eine nicht mehr zulässige Kritik kann sich auch schon aus dem Domain-Namen ergeben, der – wie hier – im Gesamteindruck eine herabwürdigende Verallgemeinerung als „Falschgutachter“ beinhaltet.

Hinweis: //SEIBERT/MEDIA bietet keine Rechtsberatung an. Als Rechtsberatung von //SEIBERT/MEDIA ist auch dieser Artikel nicht zu verstehen. Wenn Sie Fragen haben oder Rechtsberatung in Anspruch nehmen möchten, wenden Sie sich bitte an die Anwaltskanzlei Karsten+Schubert.

Dr. iur. Stefanie Jehle und Rechtsanwältin Katja Schubert gehören der Rechtsanwaltskanzlei Karsten+Schubert für Wirtschafts- und Unternehmensrecht aus Berlin an. Die Website erreichen Sie unter http://www.karstenundschubert.de. Ausführliche Informationen über die Autorinnen und weitere Fachartikel von Stefanie Jehle und Katja Schubert finden Sie in unserem Special Internet-Recht.

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