Wiki-Einführung: Lehren aus der Diffusionsforschung

Eine neue Software wie ein Firmenwiki einzuführen, die von den Mitarbeitern in einem Unternehmen genutzt werden soll, ist für die beteiligten Personen oft eine neuartige Aufgabe. Tatsächlich entspricht eine Wiki-Einführung vom Ablauf her aber den bekannten Mechanismen anderer Diffusionsprozesse. Wiki-Champions, die in ihrem Unternehmen eine Wiki-Einführung vorantreiben, sollten sich deshalb mit deren Grundlagen auseinandersetzen. Dieser Artikel bietet einen ersten Überblick.

Die fünf Stufen, die Innovationen durchlaufen

Die Anfänge der Diffusionsforschung gehen auf die Arbeiten der amerikanischen Forscher Bryce Ryan und Neal Gross zurück, die in den 1940er Jahren erste umfangreiche Studien zu dem Thema an der Iowa State University durchgeführt haben. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen veröffentlichte der Soziologe Everett M. Rogers, der in Iowa promovierte und in diesem Zusammenhang mit den Arbeiten von Ryan und Gross in Berührung kam, 1963 seinen Forschungsklassiker Diffusion of Innovations.

In diesem beschreibt er detailliert, welche unterschiedlichen Stufen Innovationen durchlaufen, bis sie von den für sie relevanten Gruppen angenommen werden. Insgesamt identifiziert Rogers fünf Stufen, die allgemeine Gültigkeit haben, also unabhängig von der Art der Innovation sind:

1) Knowledge: In diesem Stadium kommt der Anwender zum ersten Mal mit der Innovation in Kontakt, es fehlt ihm jedoch an Hintergrundwissen. Noch zeigt der Anwender aber keine Bestrebungen, sich diese Informationen zu beschaffen.

2) Persuasion: In diesem Stadium interessiert sich der Anwender für die Innovation und sucht aktiv nach weiteren Informationen und Details.

3) Decision: In diesem Stadium befasst sich der Anwender mit dem Konzept, wägt Vor- und Nachteile ab, die durch die Nutzung der Innovation entstehen würden, und entscheidet auf dieser Grundlage, ob er die Innovation annimmt oder ablehnt. Aufgrund des individuellen Hintergrundes ist es Rogers zufolge in diesem Stadium besonders schwierig, empirische Evidenz zu erreichen.

4) Implementation: Der Anwender nutzt die Innovation je nach Situation unterschiedlich intensiv und befindet, wie nützlich die Innovation ist. Manche Anwender verschaffen sich in dieser Phase noch mehr Hintergrundwissen.

5) Confirmation: In diesem Stadium trifft der Anwender die finale Entscheidung, die Innovation weiterhin zu nutzen und ihre Potenziale vollumfänglich auszuschöpfen.

Auch wenn es sich bei der Diffusionsforschung um ein spannendes Themenfeld handelt, wollen wir an dieser Stelle nicht zu tief in theoretische Grundlagen abdriften, sondern uns auf das konzentrieren, was für Wiki-Champions wichtig ist: Diffusionsprozesse folgen einem immer gleichen Muster, deshalb können wir uns bei der Wiki-Einführung an dem vorhandenen Wissen orientieren.

Adoptionsprozesse bei der Wiki-Einführung

Im ersten Schritt muss das Wiki bekannt gemacht werden, die Mitarbeiter müssen wissen, dass es eine neue Anwendung gibt und was sie mit ihr anstellen können. Im zweiten Schritt müssen die Mitarbeiter mit dem Wiki in Berührung gebracht werden; sie sollen die Anwendung kennenlernen und aktiv erleben, welche Vorteile es bringt, mit dem Wiki zu arbeiten. Im dritten Schritt muss sich das positive Nutzungserlebnis manifestieren, so dass eine innere Entscheidung zugunsten des Wikis gefällt wird: „Ja, mit diesem Tool wollen wir arbeiten." Im vierten Schritt muss das Wiki in die Arbeitsabläufe integriert werden, so dass die Mitarbeiter den Nutzen im Alltag spüren. Im fünften und letzten Schritt wird das Wiki zu einem festen Bestandteil des Arbeitslebens und etabliert sich als nützliches Werkzeug.

Wiki-Champions sind gut beraten, sich diesen Adoptionsprozess mit seinen fünf Stadien immer wieder zu verdeutlichen und ihn bei der Wiki-Einführung zu berücksichtigen. Wer ihn ignoriert, läuft Gefahr, dass die Wiki-Einführung misslingt. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass der Prozess linear verläuft und die Stufen aufeinander aufbauen. Diese Grunderkenntnis hilft dabei, den Einführungsprozess besser zu strukturieren und möglicherweise verheerende Fehler zu vermeiden.

So muss es beispielsweise eine grundlegende Bekanntmachung geben, dass eine neue Software eingeführt wird und was sich das Unternehmen davon verspricht (Knowledge). Es müssen Use-Cases definiert werden; die Mitarbeiter müssen wissen, welche Aufgaben sie mit dem neuen Tool erledigen sollen, um den Nutzen besser zu verstehen (Persuasion). Es muss eine Feedbackschleife etabliert werden; die Nutzer müssen Gelegenheit bekommen, Verbesserungsvorschläge zu äußern und das Wiki so zu formen, damit es ihren Anforderungen entspricht (Decision). Es muss einen klaren Plan geben, wie sich das Tool gegenüber anderen Systemen verhält und welche Rolle es einnimmt, damit die Nutzung in den Arbeitsalltag übergehen kann (Implementation). Nur wenn die einzelnen Stufen Schritt für Schritt gegangen werden, gelingt die Einführung, und das Wiki etabliert sich als vollwertige und wertvolle Unternehmenssoftware (Confirmation).

Dieser Prozess lässt sich mit einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Wer eine Treppe hinaufsteigt und dabei eine Stufe übersieht oder ihre Höhe falsch einschätzt, droht zu stolpern und hinzufallen. Genau dasselbe gilt auch für die Wiki-Einführung.

Wir können Wiki-Champions nur ermutigen, sich näher mit dem Thema Diffusionsforschung auseinanderzusetzen. Der englische Wikipedia-Artikel vermittelt einen kompakten Überblick zu Adoptionsprozessen. Rogers’ Diffusion of Innovations ist einfach zu lesen und kurzweilig. Als Hintergrundwissen und um die richtige Mentalität für die Einführung eines Wikis, einer anderen Software oder einer beliebigen sonstigen Innovation zu erhalten, sind diese Informationen von unschätzbarem Wert.

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