Usability-Probleme von Web-Toolbars

Im Netz stößt man zunehmend auf Toolbars, die Websites um Funktionen erweitern, die eigentlich nicht integriert sind. Auch //SEIBERT/MEDIA hat für einige Zeit mit der Wibiya-Toolbar experimentiert und setzt sie nach einigen Anpassungen und Verschlankungen nach wie vor ein. Usability-Bedenken müssen dennoch angemeldet werden.

Vorteile von Web-Toolbars

Die Vorteile einer solchen Toolbar für //SEIBERT/MEDIA haben wir in einem ausführlichen (und wohl etwas zu unausgewogenen) Artikel bereits beschrieben:

  • Integration aller Informationsangebote
  • Website-übergreifende Suche
  • Promotion der RSS-Feeds und des Newsletters
  • Mehr Follower und Fans auf Twitter und Facebook
  • Mehr Interaktion mit Kunden und Interessenten über einen sehr einfach zu bedienenden Live-Chat mit Web-Oberfläche

Nachteile von Web-Toolbars

Eine Unzulänglichkeit im Rahmen unserer damaligen Argumentation: Die Nutzerperspektive wurde zu wenig berücksichtigt. Wo der Anbieter den Usern all seine Web-Informationsangebote präsentieren und zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stellen kann, werden die Nutzer vor nicht zu unterschätzende Usability-Probleme gestellt. Zwar haben wir mögliche Usability-Schwachstellen im oben erwähnten Beitrag knapp angerissen, doch es ist sinnvoll, sich ihnen ausführlicher zu widmen.

Tatsächlich existieren unseres Wissens keine empirischen Usability-Studien zu Toolbars - zumindest keine, die auch veröffentlicht wurden. Allerdings gibt es eine Reihe von Argumenten gegen Toolbars, die auf Usability-Heuristiken beruhen, die Jakob Nielsen und Rolf Molich Anfang der 90er Jahre formuliert haben.

Screen Real Estate
Nutzer suchen eine Website auf, weil sie an den Inhalten interessiert sind. Die Toolbar wird standardmäßig eingeblendet und verdeckt einen Teil des Bildschirms: Sie nimmt also Screen Real Estate ein. Dadurch steht weniger Platz für andere Informationen zur Verfügung, insbesondere für Content, aufgrund dessen die Nutzer die Website ja besuchen. Besonders problematisch sind Toolbars, wenn sie gar wichtige Inhalte verdecken wie etwa Informationen im Footer einer nicht scrollbaren Seite.

Erhöhte Komplexität
Eine Toolbar wie die Wibiya-Lösung bietet eine ganze Reihe unterschiedlicher Funktionen und erhöht somit die Komplexität der Seite. Der User wird gezwungen, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die mit dem Informationsangebot nichts zu tun haben und die für viele Nutzer schlicht nicht interessant sind.

Eine Toolbar lenkt den User von seinem eigentlichen Ziel ab, nämlich den Inhalten der Seite, denn er erhält zusätzlich andere Informationen, mit denen er sich alternativ ebenfalls befassen kann. Das ist problematisch, denn heute ist jede Seite einer Website praktisch eine Landing-Page, über die die meisten Nutzer über organische Suchen nach bestimmten Begriffen gelangen und die möglichst wenig Ablenkung bieten sollte.

Reduzierte Benutzerkontrolle
Die Toolbar gehört nicht zur Website, sie ist ein fremdes Element von einem Drittanbieter, das in der Regel über ein Javascript-Snippet eingefügt wird. Häufig wird die Toolbar – selbst wenn sie visuell an das Unternehmenserscheinungsbild angepasst ist – als Fremdkörper wahrgenommen, und der User erhält den Eindruck, die Kontrolle über die Seite zu verlieren: Er öffnet eine Webseite, geladen wird eine Toolbar.

Benutzerkontrolle ist eine der wichtigsten Heuristiken nach Nielsen und und Molich. Bei vielen Usern entsteht der Impuls, die Toolbar zu schließen, nachdem sie geladen wurde. Vollständig lassen sich Toolbars jedoch in der Regel nicht wegklicken, sondern – wie die Wibiya-Toolbar – höchstens minimieren.

Geringere Ladegeschwindigkeit
Die Toolbar kann die Seite verlangsamen. Jedes Mal, wenn eine neue Seite innerhalb der Website aufgerufen wird, lädt die Wibiya-Toolbar erneut und fragt zulasten der Ladegeschwindigkeit wieder alle Schnittstellen ab.

Wenn es, was durchaus vorgekommen ist, an einer Stelle hakt, dokumentiert der Browser dies: Der Nutzer sieht immer noch das Laden-Symbol seines Browsers, obwohl die eigentlichen Seiteninhalte längst aufgebaut sind und nur noch auf die Informationen eines über die Toolbar integrierten Dienstes gewartet wird.

Fazit

Grundsätzlich sind die Funktionen, die Lösungen wie die Wibiya-Toolbar integrieren, absolut wünschenswert: Eine Website-übergreifende Anfragemöglichkeit, eine Website-übergreifende Suche, die unkomplizierte Anbindung an Soial-Media-Dienste wie Twitter, Facebook & Co. Unter Usability-Aspekten ist die Einbindung über eine Web-Toolbar allerdings nicht unbedenklich und noch recht unschön. 😐

Also gilt in diesem Fall wohl das Motto "Do what I say, don't what I do". Aber wir finden da demnächst auf jeden Fall eine schönere Lösung - spätestens beim demnächst anstehenden Relaunch unseres Blogs. 🙂

Weiterführende Informationen

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Die Usability-Heuristiken nach Nielsen und Molich
Wibiya-Web-Toolbar: Vor- und Nachteile des schlanken, anpassbaren Allround-Talents
Quantitative Usablility-Analysen mit der System Usability Scale (SUS)
Usability-Analysen: Die Guided Usability Inspection bei //SEIBERT/MEDIA


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