Wie Yoga mich zu einem besseren Lean-Startup-Praktiker gemacht hat

Ich praktiziere Bikram-Yoga nun seit etwas mehr als fünf Jahren. Für diejenigen, die mit dieser Form von Yoga nicht vertraut sind:

Bikram-Yoga ist eine Hatha-Yoga-Methode und wurde von dem indischen Yogameister Bikram Choudhury [...] entwickelt. Bikram-Yoga ist eine markengeschützte Serie von Yoga-Übungen, die in einem heißen Raum praktiziert werden (bei ca. 35-40 Grad Celsius). Es werden 26 Körperübungen (Asanas) und 2 Atemübungen (Pranayama) praktiziert. (Wikipedia)

Dem Bikram habe ich mich nicht aus spirituellen Gründen zugewandt oder weil es so gut für die Gesundheit ist, sondern weil ich eine effiziente Ertüchtigungsroutine finden wollte, die in meine enge Planung passt. Bevor ich Bikram entdeckte, bin ich zum Laufen und Meditieren regelmäßig in ein Fitnessstudio gegangen. Selbst in einem 90-Minuten-Durchgang umfasst eine Bikram-Sitzung körperliche Übungen, Meditation und einen Saunagang. Ich hab’s ausprobiert und bin seitdem Feuer und Flamme.

Als ich das Training vertieft habe, sind mir viele Parallelen zwischen den Yoga-Praktiken und denen als Gründer aufgefallen – teilweise lean.

Synthese ist Innovation

Yoga und Gründertum sind vor allem für Anfänger ein großes (und respekteinflößendes) Thema. Bikram nahm 26 Körperstellungen aus einer Sammlung von fast tausend, fügt Hitze hinzu und erschuf einen einzigartigen Beitrag zur Yoga-Welt. Das lief nicht ohne Kontroversen ab, denn er arbeitete auch daran, ein hochprofitables Franchise aufzubauen, indem er die Zusammenstellung per Copyright schützen ließ.

Auch Lean Startup erntete in den Anfangstagen mitunter solche Reaktionen (und tut es vielleicht heute noch). Viele waren der Meinung, es handele sich nur um eine Sammlung von Best Practices, die erfahrenen Unternehmern bereits geläufig sind. Aber das traf nicht den Kern der Sache.

Die wahre Kraft der Innovation durch Synthese besteht darin, dass sie zuvor fragmentierte und scheinbar nicht miteinander zusammenhängende Wissenskörper auf ein handhabbares Framework reduziert, das mehr ist, als nur die Summe der Einzelteile. Die Einfachheit des Frameworks erlaubt es dem Praktiker, einfach "zu praktizieren", mit anderen Praktikern in einer gemeinsamen Sprache zu kommunizieren und zur Weiterentwicklung des Frameworks beizutragen.

Jeder ist ein Praktiker

Es ist ganz normal, im Kurs direkt neben einem Yoga-Trainer oder -Anleiter zu stehen. Jeder ist ein Praktiker und zeigt das. Es gibt ein Basisdrehbuch, mit dem man den Kurs führen kann, aber jeder Anleiter füllt die Lücken mit seinem eigenen Erfahrungswissen. Das bietet den Schülern neue Wege, die Körperstellungen (Asanas) zu interpretieren und mit ihnen zu experimentieren.

Der Erfolg und die Popularität von Lean Startup als Bewegung ist natürlich vor allem Eric Ries zu verdanken – und zwar nicht nur deshalb, weil er die Methodologie selbst kodiert hat und nimmermüde um den Globus reist, um sie zu vermitteln, sondern auch, weil er die Denkweise, dass jeder ein Praktiker ist, so sehr pflegt und fördert.

Nur an rigorosen Praktikern festhalten

Ich habe den "Sign-up-Prozess" in meinem Yoga-Studio von Anfang an geschätzt. Anders als bei meiner Fitnessstudio-Mitgliedschaft, wo ich mir vorkam, als hätte ich es mit einem Gebrauchtwagenhändler zu tun, war der Prozess im Yoga-Zentrum einfach und geradeaus.

Man bekommt zwei Optionen präsentiert: Ein Schnupper-Abo für 14 Dollar oder ein Kennenlern-Special für 20 Dollar, das unbegrenzten Zugang zu allen Kursen für 14 Tage umfasst. Die Anleiter verkaufen Ihnen nichts und warnen Sie nicht davor, dass Yoga nicht für jeden etwas ist. Am Ende des ersten Kurses lieben Sie es oder Sie hassen es, was oft amüsant mit anzusehen ist. Die meisten Newcomer beginnen den Kurs mit lächelnden, glücklichen Gesichtern und erwarten wahrscheinlich ein sehr entspannendes Erlebnis. Nach der Hälfte der Sitzung ist das Lächeln verschwunden und sie kämpfen damit, sich überhaupt aufrecht zu halten und trinken Unmengen Wasser (zu viel), was es nur noch schwerer macht, die Körperstellungen einzunehmen.

Nach der Testphase gibt es viele Preisoptionen von Pay as you go bis hin zu monatlichen und jährlichen Verträgen. Der Punkt ist der, dass sie nicht daran interessiert sind, einen hinters Licht zu führen oder den Leuten Schuldgefühle einzureden, wenn sie keine langfristigen Verträge abschließen. Letztlich behalten sie die Praktiker, die es ernst meinen – eine gute Strategie, um sowohl Teammitglieder als auch Kunden bei der Stange zu halten.

Kontinuierliches Lernen

Ich finde des unglaublich, dass es mich auch nach fünf Jahren nicht langweilt, immer dieselbe Übungsfolge aus 26 Körperstellungen zu machen. Jede Sitzung ist gleich und doch anders. Klar, man geht in jede Sitzung in einer anderen geistigen und körperlichen Verfassung und die Rotation der Übungsleiter bringt zusätzliche Variation hinein, aber der wahre Grund dafür, dass es sich immer wieder neu anfühlt, ist der, dass man kontinuierlich lernt und entdeckt.

Zum Beispiel musste ich früh verlernen, während der Körperstellungen die Knie zu beugen. In jeder Sportart, die ich betrieben habe, laden durchgedrückte Knie zu Verletzungen ein. Beim Yoga jedoch sind durchgedrückte Knie die Voraussetzung für einen starken Kern, und ehe Sie die Knie nicht durchdrücken (können), haben Sie die Körperstellung auch nicht eingenommen. Das ist überraschend schwer und man muss sich darauf als erstes fokussieren.

In Lean Startups müssen Sie ebenfalls einige Dinge verlernen, was überraschend schwer ist:

  • Nach dem Compiler oder nach dem Telefon greifen?
  • Perfekte Produkte bauen oder mit Gerade-genug-Lösungen testen?
  • Den eigenen Glaubenssätzen folgen oder aus Kommunikation objektiv lernen?

Nach einer Weile beginnen Sie es zu schätzen, dass jeder Teil der Übungsfolge sorgfältig ausgewählt wurde und sich Schicht um Schicht offenbart. Einige Wörter fangen von einem Tag auf den anderen an, Sinn zu machen – so wie der "Schluck Luft". Wer mit Bikram beginnt, bringt eine Flasche Wasser oder mehrere mit in den Kurs. Der Raum ist heiß und ungemütlich und die Leute greifen bei jeder Gelegenheit zum Wasser. Die Anweisung lautet aber, während des Kurses so wenig wie möglich zu trinken. Die Sache ist die, dass der Körper das Wasser nicht schnell genug aufnehmen kann; es füllt nur den Bauch und macht es schwer, sich zu bewegen und zu atmen.

Wenn Sie eine Weile dabei sind, merken Sie, dass Sie nicht Wasser, sondern Luft brauchen. Der Schlüssel ist, den Atem gleichmäßig und unter Kontrolle zu halten, und die Unannehmlichkeiten sind bald verschwunden. Erfahrene Schüler trinken nur vor der Übung, sie bringen gar kein Wasser mit den in den Kurs und nehmen dafür ein paar Schlucke Luft zu sich.

In einem Startup ist Geld wie das Wasser. Sie brauchen nur genug, um starten zu können. Zu häufiges Trinken oder ständiges Nachfüllen macht Sie langsamer. Stattdessen sollten Sie diesen "Schlucken Luft" nachjagen – Customer Learning.

Der stehende Bogen

Die Körperstellung, die den Starting-up-Prozess am besten einfängt, ist der Stehende Bogen. Das ist sicherlich eine der am schwersten komplett einzunehmenden Körperstellungen (nicht die schwerste), aber sie macht auch am meisten Spaß, und zwar Neulingen und erfahrenen Praktikern gleichermaßen.

Die initiale Herausforderung ist das korrekte Aufstellen und das Einnehmen der Haltung. Der Anfang ist gar nicht mal so schwer, und dass dann einer nach dem anderen umfällt, gehört zum Spaß dazu. Das erste Ziel ist es, die Balance zu finden und zu halten.

Üben Sie das eine Weile, werden Sie sich bald in der Lage sehen, die Balance zu finden und die Körperstellung bequem zu halten. Aber damit sind Sie erst bei 50 bis 75 Prozent der kompletten Ausführung.

Um die volle Ausführung hinzubekommen, müssen Sie kontinuierlich daran arbeiten, gleichzeitig das Bein senkrecht nach oben zu heben und den Arm vorwärts zu strecken. In meinem Studio gibt es nur zwei oder drei Leute, die die Stellung komplett einnehmen können. Ich gehöre nicht dazu, aber es ist die Reise und nicht das Ergebnis, die das ganze lohnenswert macht.

Dieser Artikel wurde im Original am 29. November 2011 unter dem Titel How Yoga Made Me a Better Lean Startup Practicioner von Ash Maurya veröffentlicht. Ash Maurya gehört zu den führenden Köpfen der internationalen Gründerszene und ist einer der renommiertesten Experten für Lean Startup und Customer Development. Seinen Weblog finden Sie unter www.ashmaurya.com. Die Website seines Unternehmens Spark59 erreichen Sie unter http://spark59.com. Mehr Fachartikel bietet unser Lean-Special.

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