Lean Startup: Die Achillesferse des Customer Development (Teil 1)

Das chinesische Wort "Weiji" für "Krise" besteht aus zwei Symbolen – eines steht für Herausforderung (wei) und das andere für Chance (ji). Ungeachtet des Fakts, dass diese bestimmte Übersetzung zwar populär, aber eventuell nicht akkurat ist, passt die Herausforderung-Chance-Dualität sehr gut auf das Customer Development.

Der Schlachtruf des Customer Development "Get out of the Building", den Steve Blank ausgerufen hat, kodiert eine der einfachsten und zugleich eine der am schwierigsten zu implementierenden Praktiken – speziell für Gründer aus der technischen Ecke (wie mich). Während Customer Development ein verlockendes, jedoch rationales Argument für die Chance-Seite der Gleichung bietet, besteht die Herausforderung-Seite der Gleichung darin, unsere Körper dazu zu bringen, auf unsere Köpfe zu hören.

Viele Leute, die ich treffe, gehen davon aus, dass es mir leicht gefallen ist, mit Kunden zu sprechen – was schlicht nicht stimmt. (Sie nehmen auch an, dass ich in Silicon Valley lebe, was auch nicht der Fall ist.) Wie die meisten anderen technischen Gründer war ich ein verschlossener Geek. Ich nutzte jahrelang Tools wie die E-Mail, Diskussionsforen, Produkt-Blogs etc., um zu vermeiden, direkt mit Kunden sprechen zu müssen. Und wenn ich mich doch mit Kunden unterhielt, fühlten die Konversationen sich nicht produktiv an oder erwiesen sich als gänzlich vergebliche Liebesmüh.

Ich wusste, dass es wichtig war, Kunden zuzuhören, aber ich wusste nicht wie.

Ich habe den Schritt von der Furcht vor Kundeninteraktion hin zu der Maßnahme gemacht, für mein Mobiltelefon eine kostenfreie Rufnummer einzurichten. Der Wendepunkt kam, als mich die Erkenntnis traf, dass das Leben zu kurz ist, um weiter Dinge zu bauen, die niemand will (oder jedenfalls nicht genug Leute). Das ging einher mit meinen ersten Berührungen mit Customer Development und Lean Startup, die mein eigenes rigoroses Testen und die Anwendung dieser Prinzipien befeuerten.

Customer Developement dreht sich fundamental um eine grundlegende Verhaltensänderung dahingehend, wie wir etwas bauen, und es ist schwer, das ohne einen Katalysator zu erreichen. Ich will hier die rationalen Argumente für Customer Development nicht durchkauen, sondern nur anmerken, dass die wirklichen Hürden emotionaler und nicht logischer Natur sind. Stattdessen werde ich ein paar Taktiken im Detail beschreiben, die mir geholfen haben, meine mentalen Blockierungen zu überwinden. Also:

Wie ich lernte, Kundengespräche nicht mehr zu fürchten, sondern zu lieben.

1. Den Rahmen um das Lernen herum bauen

"Geh und sprich mit einem Kunden" war genauso hilfreich wie "Baue etwas, das die Leute wollen". Meine große Frage lautete: "Was soll ich ihnen sagen?" Gemäß der zu jener Zeit vorherrschenden Auffassung gab es nur die Optionen, mein Produkt zu verkaufen oder zu pitchen. Also übte ich mich im Pitchen und bereitete ein Set von Antworten vor, um mögliche Bedenken zu zerstreuen.

In einem Pitch übernehmen die meiste Zeit Sie das Reden. Für die Kunden ist es ein Leichtes, so zu tun, als würden sie mitspielen, oder Sie gar glattweg anzulügen. Später stellen Sie dann fest, dass niemand zum Sign-up oder Login zurückkommt. Weil ein Pitch dazu tendiert, sehr einseitig zu sein, schicken Sie eine Erinnerungs-Mail nach der anderen raus, ehe Sie merken, dass Sie bei den Leuten einfach nicht angesagt waren.

Das Problem besteht darin, dass Pitchen darauf basiert, Wissen über das "richtige" Produkt für den Kunden zu haben. (Problem/Solution Fit).

Bevor man die "richtige" Lösung pitchen kann, muss man das "richtige" Kundenproblem verstanden haben.

Als ich das erst einmal begriffen hatte, fiel es mir viel leichter, mit Kunden zu reden. Ich verschob meinen Rahmen einfach vom Pitchen auf das Lernen. Mit einem Learning-Rahmen sind die Rollen umgekehrt. Sie setzen den Kontext, aber dann überlassen Sie dem Kunden den Großteil des Redens. Sie müssen nicht sämtliche Antworten kennen und jede Kundeninteraktion (Interview, technischer Support, Feature-Anfragen etc.) wandelt sich zu einer tollen Lernmöglichkeit.

2. Ein Script erstellen

Obwohl das Explorieren ein kritischer Aspekt beim Reden mit Kunden ist, muss die Konversation um spezifische Lernziele herum gewickelt werden. Andernfalls können Sie leicht jede Menge Zeit verplempern und am Ende mit einem überwältigenden Haufen nicht handhabbarer Informationen dastehen.

Anders als bei einem Pitch, hilft es nichts, Ihre Geschichte nach jedem Interview zu optimieren. Sie brauchen Konsistenz und Wiederholbarkeit, um dem Prozess eine Methodik einzuflößen. Ein Script hilft dabei. Ich hatte für meine ersten Kundeninterviews ein Script entwickelt und nutze Scripte seitdem für jede nur erdenkliche Kundeninteraktion – Problem-Interviws, Solution-Interviews, Pre-Launch-Interviews, Feature-Request-Interviews, Usability-Tests usw.

Hier ist ein Beispiel für ein Problem-Interview-Script aus meinem Buch:

Problem-Script-Ash Maurya Running Lean

Das Problem-Interview-Script ist vom allerersten Interview, das ich mit einem Kunden durchgeführt habe, um eine Produktidee auszuloten. Diese drei wesentlichen Dinge wollte ich in diesem Interview lernen/testen:

  1. Wer sind die prototypischen Early Adopter? (Kundensegment)
  2. Wie dringend wollen sie das Problem gelöst haben? (Problem)
  3. Wie lösen sie es heute? (bestehende Alternativen)

Die ersten beiden Fragen helfen zu identifizieren, ob man ein Problem hat, das sich zu lösen lohnt. Die dritte bewaffnet Sie mit Wissen über Lösungen und Preisanker, gegen die Sie sich positionieren müssen.

Der schwierigste Teil des Scripts ist das Anfertigen der zweiminütigen Problem-Story, die den Kontext setzt. Der Rest ist zuhören und steuern.

Im folgenden zweiten Teil dieses Artikels geht Ash Maurya auf die praktischen Aspekte von Kundeninterviews ein: Mit wem beginnen? Wie stellt man ein möglichst objektives Lernen sicher?

Dieser Artikel wurde im Original am 12. August 2011 unter dem Titel The Achilles Heel of Customer Development von Ash Maurya veröffentlicht. Ash Maurya gehört zu den führenden Köpfen der internationalen Gründerszene und ist einer der renommiertesten Experten für Lean Startup und Customer Development. Seinen Weblog finden Sie unter http://practicetrumpstheory.com. Die Website seines Unternehmens Spark59 erreichen Sie unter http://spark59.com. Mehr Fachartikel bietet unser Lean-Special.

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