Reihenfolge-Effekte: Die Link-Position beeinflusst das Klickverhalten

Reihenfolge-Effekte im Alltag

Hersteller sind bestrebt, ihre Waren im Supermarktregal oben zu platzieren, um im Gegensatz zur "Bückware" bevorzugt wahrgenommen zu werden. Werbetreibende scheuen keine Kosten, um innerhalb der Werbeblöcke im TV den letzten Spot stellen zu dürfen, da diesen mehr Zuschauer sehen und in Erinnerung behalten. Den ersten Eintrag in den Gelben Seiten stellen Unternehmen mit so klangvollen Namen wie A.A.A. Schlüsseldienst. Offenbar hatte der Inhaber bei der Namensfindung vor allem diese Pole Position im Auge in der Erwartung, so mehr Anfragen zu erhalten.

All das sind Beispiele für sogenannte Reihenfolge-Effekte, die von cleveren Unternehmen geschickt genutzt werden. Denn seit Reihenfolge-Effekte in den 1960er Jahren erstmals entdeckt wurden, konnten sie in zahlreichen empirischen Studien tatsächlich nachgewiesen werden. Zum Beispiel geht das Konzept unseres Schlüsseldienstes auf, wie Eye-Tracking-Studien von Lohse (1997) zeigen konnten. Die Leser nehmen tatsächlich nur die ersten Ergebnisse der jeweiligen Abschnitte wahr.

Übertragbarkeit auf das Internet?

Grundsätzlich sind zwei Arten von Reihenfolge-Effekten zu unterscheiden:

  • Primacy Effect – Die ersten Positionen in einer Liste werden bevorzugt.
  • Recency Effect – Die letzten Positionen in einer Liste werden bevorzugt.

Interessant im Hinblick auf das Internet ist, ob sich diese Effekte auch hier zeigen. Ist das Klickverhalten der User durch die strategische Positionierung von Links innerhalb einer Liste steuerbar?
Oder, etwas überspitzt formuliert: Geht es wirklich um den Link aus inhaltlicher Sicht oder doch nur um seine Position?

Studie: Reihenfolge-Effekte und ihr Einfluss auf das Klickverhalten

Ein Team aus Wissenschaftlern aus Australien und den USA hat diese Fragen aufgegriffen und eine empirische Untersuchung dazu durchgeführt (Murphy, Hofacker, Mizerski [2006]: Primacy and Recency Effects on Clicking Behavior. In: Journal of Computer-Mediated Communication, 11[2]). Über einen Zeitraum von 10 Wochen haben sie die Nutzungsdaten auf einer Website im Live-Betrieb getrackt. Auf der Website wurden im Inhaltsbereich sechs Links zu verschiedenen Inhalten angeboten, also gewissermaßen "Shortcuts" zu wichtigen Inhalten. Alle Links waren auch bei einer sehr kleinen Auflösung über dem Falz zu sehen. Ihre Reihenfolge wurde mithilfe eines Latin Square Designs manipuliert, so dass jeder Link gleich häufig an jeder Position stand.

Es wurden Daten von knapp 4.000 Usern erhoben. Anschließend wurden die Klickraten (CTR) für die verschiedenen Links ausgewertet. Die Erkenntnisse sind eindeutig, Reihenfolge-Effekte treten auch im Web auf. Im Rahmen der Studie konnte ein starker Primacy Effect festgestellt werden: Der erste Link wurde mit Abstand am häufigsten angeklickt; der zweite Link war ebenfalls noch sehr beliebt. Die Click Through Rate variierte zwischen 7% und 11%. Auch der Nachweis eines ausgeprägten Recency Effects gelang: Der letzte Link in der Liste wurde deutlich häufiger angeklickt als die Links im mittleren Teil.

Die Click Through Rate in Abhängigkeit zur Link-Position (6 Links)

Abb. 1: Die Click Through Rate in Abhängigkeit zur Link-Position (6 Links). Quelle: Murphy, Hofacker, Mizerski (2006).

Alle Signifikanztests waren positiv, es konnte eine starke Korrelation zwischen Position und Klickrate ermittelt werden. Das Experiment wurde anschließend mit einer Liste aus sieben Links wiederholt. Die Ergebnisse: Der Primacy Effect war noch stärker, der Recency Effect etwas weniger stark ausgeprägt. Wieder fielen alle Signifikanztests positiv aus.

Bewusste Steuerung des Klickverhaltens durch strategische Anordnung von Links

Häufig wird bei der Sortierung der Links ein logischer Ansatz wie die natürliche Reihenfolge, eine alphabetische Anordnung oder die zeitliche Sortierung gewählt. Es dürfte sich lohnen, diese Praxis gründlich zu überdenken. Für Unternehmen könnte es sinnvoll sein, Links strategisch zu sortieren, also die wichtigsten Links oben zu positionieren und das Klickverhalten der User dadurch zu steuern.

Die ersten Links werden deutlich häufiger angeklickt als andere. Deshalb sollten diese Positionen den betriebswirtschaftlich sinnvollsten und den von Nutzern häufig gesuchten Links vorbehalten sein.

Einschränkend angemerkt sei, dass die Untersuchung auf einer reinen Logfile-Analyse beruht. Usability-Indikatoren wie Zufriedenheit, Time on Task und Completion Rate wurden nicht ermittelt. So wäre denkbar, dass sich eine unlogische Sortierung negativ auswirkt, weil die User die Reihenfolge nicht verstehen können und kein Muster erkennen. Deshalb empfiehlt es sich, die Erkenntnisse aus der Studie nicht auf Navigationen oder semantisch strukturierbare Listen anzuwenden, sondern in erster Linie auf Crosslinks und Shortcuts zu beziehen.

Quellen und weiterführende Informationen:
Die Ergebnisse der Studie
Materialität, Haptik und Klickverhalten auf Websites
Blickverläufe: Neue Eye-Tracking-Studien bestätigen F-Muster
Lohse, G. L. (1997). Consumer eye movement patterns on yellow pages advertising. Journal of Advertising, 26 (1), 61-73.

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