Usability-Spezifika für Senioren: Was Silversurfer von Websites erwarten

Immerhin 25% der über 50-jährigen Deutschen nutzen das Internet regelmäßig. Im Vergleich zu anderen Altersgruppen erscheint dieser prozentuale Wert auf den ersten Blick noch relativ gering (dazu später mehr), aber die demographische Entwicklung ist kein Geheimnis und die User-Gruppe der so genannten Silversurfer wächst ebenso allmählich wie stetig. Ältere Menschen stellen jedoch besondere Anforderungen an Websites, weil sie andere körperliche Voraussetzungen mitbringen und andere Erfahrung im Umgang mit dem Medium Internet haben.

Die University of Manchester hat unlängst eine Studie durchgeführt und Accessibility-Richtlinien unter praktischen Bedingungen unter die Lupe genommen. Die folgenden Anforderungen wurden im Rahmen der Studie geprüft und bestätigt. Die Zahl in Klammern gibt an, wie relevant eine Richtlinie auf einer Skala von 1 (gar nicht relevant) bis 5 (sehr relevant) ist.

Anforderungen an Steuerungselemente:

  • Größere Zielobjekte anbieten (4,75)
  • Eindeutige Rückmeldungen nach Aktionen geben (4,15)
  • Doppelklicks sollten nicht erforderlich sein (4,875)

Anforderungen an grafische Elemente:

  • Sparsam mit Animationen umgehen (4)
  • Bilder mit Alt-Tags versehen (3)
  • Leicht und intuitiv verständliche Symbole verwenden (3,75)

Anforderungen an die Navigation:

  • Zusätzliche Hinweise zur Navigation in Fettschrift (3,75)
  • Klar verständliche und eindeutige Titel in der Navigation verwenden (4)
  • Deutlich kommunizieren, wo sich der User innerhalb der Website gerade befindet (4)
  • Keine dynamischen, ausklappenden Menüs einsetzen (4,25)
  • Keine tiefe Informationsarchitektur mit vielen Hierarchieebenen verwenden (4,25)

Anforderungen an die Technologie:

  • Den Einsatz von Scroll-Balken stark begrenzen (3,375)
  • Nicht mehrere Fenster gleichzeitig öffnen, keine Pop-ups oder animierten Werbebannern einsetzen (4)

Anforderungen an Inhalte:

  • Eine klare und verständliche Sprache verwenden (4,25)
  • Keine unwichtigen Informationen anbieten (4,5)
  • Wichtige Informationen entsprechend hervorheben (4,25)
  • Informationen vor allem im Zentrum der Seite anbieten (4,375)
  • Texte sollten sich nicht bewegen (4,625)
  • Texte linksbündig ausrichten, kurze Sätze und Zeilen verwenden (4)
  • Größere Zeilenabstände einfügen (4,125)
  • Groß- und Kleinschreibung im Haupttext beachten (nicht z.B. ausschließlich Großbuchstaben) (4,25)
  • Gliederung in eindeutige und große Überschriften vornehmen (4,25)
  • Gut lesbare, serifenlose Schriftarten in Schriftgröße 12 bis 14 und keine ausgefallenen Fonts verwenden (4,25)

Anforderungen an Links:

  • Bereits angeklickte Links als solche kennzeichnen (4,625)
  • Links verständliche Titel geben und Links, die auf unterschiedliche Seiten verweisen, nicht denselben Titel zuweisen (4,25)
  • Auflistungen als Aufzählungen darstellen und nicht in engen Rastern (4,25)

Anforderungen hinsichtlich der Nutzerwahrnehmung:

  • Ausreichend Zeit zum Lesen der Informationen zur Verfügung stellen (4,75)
  • Wenige Auswahlmöglichkeiten anbieten und die Heuristik "Wiedererkenung statt Sich-erinnern-Müssen" beachten (3,5)

Anforderungen an das Design:

  • Farbe zurückhaltend einsetzen (3,75)
  • Bei der Verwendung von Blau- und Grüntönen aufpassen (3,5)
  • Deutliche Kontraste, keine Veränderungen der Hintergrundfarben und kein reines Weiß als Hintergrund verwenden (4)
  • Nicht alle Inhalte in Farbe darstellen (3,125)

Sonstige Anforderungen:

  • Interne Suche anbieten, die auch Falscheingaben korrekt interpretiert (3,75)
  • Sitemap zur Verfügung stellen (3,625)
  • Kontrolle und freie Entscheidung beim Nutzer (4)
  • Einfache und leicht nachvollziehbare Fehlermeldungen verwenden (3,625)

Soweit die wichtigen Ergebnisse der Studie. Im Jahr 2050 wird fast jeder zweite Deutsche älter als 60 Jahre sein. Das ist zugegebenermaßen noch ein recht ferner Zeitpunkt; vielleicht wird die Accessibility auch deshalb momentan noch etwas stiefmütterlich behandelt.

Doch der Demographie-Wandel ist kein Phänomen, das die ferne Zukunft betrifft. Schon heute ist jeder vierte deutsche Wahlberechtigte 60 Jahre oder älter; 2009 wird es erstmals mehr Wähler ab 60 als Jungwähler (bis 29 Jahre) geben. Um auf das Stichwort Internet-Nutzung zurückzukommen: In absoluten Zahlen ausgedrückt sind in Deutschland schon heute mehr über 60-jährige Menschen als Teenager im Netz aktiv. Es ist also absehbar, dass der Stellenwert der "Usability-Spezifika für Senioren" im Web eher über kurz als lang signifikant steigen wird.

Die Gruppe der Silversurfer ist nicht nur eine wachsende, sondern auch eine finanzstarke Klientel – die sich beileibe nicht nur für Behörden und Krankenkassen, sondern ebenso für Versandhäuser und Online-Shops, Reiseunternehmen und Verkehrsbetriebe, Versicherungen und Banken sowie etliche andere Angebote interessiert. Selbst die Zahl der älteren Gamer steigt rasant.

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis eine seniorenspezifische Usability bei entsprechenden Angeboten zu einem echten und unverzichtbaren Wettbewerbsvorteil wird – falls das nicht schon heute der Fall ist.

Weitere Informationen:

Die komplette Studie der University of Manchester im PDF-Format (1,2 MB)

Silversurfer: Senioren im Internet

Die Silversurfer: neue Goldgrube im Netz?

Information, nicht Unterhaltung - das Internet wird bewusst genutzt (eigener Artikel)

Kaufentscheidungen: Das Internet ist wichtiger als Zeitschriften, TV & Co. (eigener Artikel)

Die Usability-Website von //SEIBERT/MEDIA/CONSULTING


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3 thoughts on “Usability-Spezifika für Senioren: Was Silversurfer von Websites erwarten”

  1. Hallo Hugo,

    danke für den Hinweis, wir werden das im Text korrigieren. Hier als Nachtrag die vollständige Quellenangabe:
    Kurniawan, Zaphiris (2005). Research-derived web design guidelines for older people. ACM SIGACCESS Conference on Assistive Technologies archive. Proceedings of the 7th international ACM SIGACCESS conference on Computers and accessibility. Pages: 129 – 135. Online: http://portal.acm.org/citation.cfm?doid=1090785.1090810

    Da Erkenntnisse der Usability-Forschung in der Regel eine recht lange Gültigkeit haben, sind die in der Studie berichteten Ergebnisse auch 2008 noch aktuell. (Vgl. dazu auch: http://is.gd/18FK). Und sie werden aus den o.g. Gründen in den kommenden Jahren sicherlich noch wichtiger werden. Natürlich muss man die Forschungsergebnisse weiter beobachten und die eigenen Empfehlungen daran ausrichten. Wenn man ein Angebot zur Verfügung stellt, das sich an Silversurfer richtet, sollten die Richtlinien jedoch Anwendung finden – mit dem Spielraum, mit dem Richtlinien immer bewusst interpretiert werden dürfen, um die Anwendung rund zu machen.

  2. Ich hatte nur das Wording ‘Unlängst …” kommentiert. Sicherlich ist es nützlich solche Ergebnisse zu studieren und auf Tauglichkeit zu prüfen.

    Aber, nicht alle Erkenntnisse sind ‘wahr’, sonst würden ja alle erfolgreiche Websites so aussehen, wie sich das z.B. Jakob Nielsen (useit.com) vorstellt.

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