User-Tests: Die wichtige Vorbereitung und das Aufstellen von Hypothesen

Über Erfolg oder Misserfolg und insbesondere den reibungslosen Ablauf eines User-Tests entscheidet die gute inhaltliche Vorbereitung mit. Ein wichtiger Bestandteil dieser Vorbereitung ist der Pre-Test der Anwendung. Dieser ist aus zwei Gründen sinnvoll: Aus Sicht des Usability-Beraters, der seine Expertise überprüft und ausbaut, und im Hinblick auf den Ablauf und die Ergebnisse des User-Tests.

Expertenanalyse im Vorfeld des User-Tests

Zunächst klickt sich der Versuchsleiter beim Pre-Test durch die Applikation, um grundsätzliche Fragen zu klären: Er lernt die Anwendung kennen, testet, wie lange die Erledigung von Aufgaben dauert, und beschätzt, wie viele Aufgaben in einer Test-Session sinnvollerweise untergebracht werden können bzw. sollten. Bietet es sich an, mehrere Aufgaben in einem Test von den Probanden erledigen zu lassen, weil einzelne Tasks nur wenig Zeit in Anspruch nehmen? Welche technischen Besonderheiten sind zu berücksichtigen? Muss vielleicht eine Datenbank nach jeder Test-Session zurückgesetzt werden? Etc.

Der wichtigste Bestandteil des Pre-Tests ist schließlich das systematische Identifizieren von möglichen Problemquellen. Hier wendet der Experte sein theoretisches und praktisches Wissen an und untersucht gezielt die einzelnen Abläufe, die später die Probanden durchlaufen sollen. Bei der Prüfung geht der Berater den korrekten Ablauf Schritt für Schritt durch und notiert alle Probleme, die der User bei der Erledigung der einzelnen Schritte haben könnte.

Ziel ist es, jeden möglichen Fehler, den der Nutzer beim Durchlaufen des Prozesses machen könnte, festzuhalten und zu beurteilen. Er stellt also Hypothesen darüber auf, welche Probleme im User-Test bei welchem Arbeitsschritt zu erwarten sind.

Die eigene Expertise auf den Prüfstand stellen und profitieren

Beim Aufstellen solcher Hypothesen handelt es sich also um eine expertenbasierte Usability-Analyse, die dem User-Test vorausgeht. Sie hat mehrere Vorteile.

Zunächst ist dieses Vorgehen methodisch sehr interessant: Der Experte erkennt bei der Vorbereitung die Probleme A, B und C. Beim User-Test stellt sich dann heraus, ob er damit überhaupt richtig liegt. Oder sind diese Probleme gar keine für die wirklichen User? Bzw. entpuppen sich im Test ganz andere Details als Hürden, die noch überhaupt nicht bedacht worden sind?

Das ist sehr hilfreich und erhellend für den Berater: Er hat die Möglichkeit, seine Expertise und auch theoretische Grundlagen unter Praxisbedingungen auf den Prüfstand zu stellen. Diese Erkenntnisse und Erfahrungen fließen in die künftigen expertenbasierten Tests des Beraters ein und verbessern die Qualität seiner Analysen.

Hat er mehrmals solche Hypothesen für User-Tests aufgestellt, die sich dann bestätigt haben, wird er in die Lage versetzt, auch in späteren Expertenanalysen noch mehr Probleme aufzudecken, die in der Praxis tatsächlich zu Fehlern führen.  Zudem erkennt er, welche theoretischen Usability-Richtlinien in der Nutzungspraxis womöglich gegenstandslos sind, da z.B. eine bestimmte, scheinbar problematische Positionierung eines Elements bei realen Nutzern gar keine Probleme verursacht.

Überraschungen während des User-Tests vorbeugen

Ein ausführlicher Pre-Test macht nicht zuletzt den User-Test einfacher. Man hat bereits eine Vorstellung davon, wo vermutlich Fehler vorkommen und wo das Programm Probleme bereiten wird, und kann sich auf das Wesentliche konzentrieren.

Darüber hinaus ist das ausführliche Pre-Testing eine Vorsichtsmaßnahme, gerade wenn es sich um eine komplexe Anwendung handelt. Ein Szenario wie dieses ist sicherlich kein angenehmes: Der Testteilnehmer klickt irgendein Element an und der Testleiter hat keinen Schimmer, wo sich der Nutzer hinmanövriert hat. Was genau hat der Nutzer jetzt gemacht? Eigentlich wäre es doch logisch gewesen, dass er ein anderes, sehr prominent positioniertes Element hätte anklicken müssen! Als Testleiter sollte man die Struktur der Anwendung und auch die Bereiche kennen, die für die zu erledigenden Aufgaben nicht relevant sind, um von Fehlern der Probanden nicht selbst überrascht zu werden.

Es lohnt sich, ein Budget für gute Vorbereitung einzuplanen

Aus diesen Gründen ist der Usability-Berater gut beraten, potenzielle Wege in der Anwendung im Vorfeld zu durchlaufen und vor dem User-Test eine intensive Expertenanalyse durchzuführen. Und auch aus Kundensicht ist es sinnvoll, im Rahmen eines User-Tests auch ein zusätzliches  (geringes) Budget für einen expertenbasierten Pre-Test einzuplanen.

Das ist gewiss etwas aufwändiger und kostet Zeit, doch dieses Vorgehen führt zu einer besseren Testsituation und damit zu besseren Testergebnissen. Der Versuchsleiter ist sicher, er antizipiert Fehler, er kann den User eventuell schneller auf den richtigen Pfad zurückbringen und sich auf die Beobachtung der Probanden und die Schwachstellen der Anwendung konzentrieren – gsnz im Sinne hochwertiger Resultate.

Haben Sie Fragen zu nutzerbasierten Usability-Analysen? Suchen Sie Möglichkeiten, Ihre Web- oder Intranet-Anwendung nutzerfreundlicher zu gestalten? Wir sind Experten für Usability und helfen Ihnen gerne. Ausführliche Informationen und ein Kontaktformular für Ihre unverbindliche Anfrage finden Sie auf unserer speziellen Seite zum Thema User-Tests.

Weiterführende Informationen

Der User-Test: Die Königsdisziplin der Usability-Forschung
Die politische Bedeutung von User-Tests
User-Tests: Whiteboards erleichtern die Systematisierung und erhöhen die Transparenz
User-Tests: Debriefings sind wichtig und haben sich durchgesetzt


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