Die kleinen Geheimnisse des Genius-Designs

Usability_Tag_CloudDie Entscheidung für den Entwicklungsstil des Genius-Designs bringt einem Entwicklungsteam gewaltige strategische Vorteile. (Der Genius-Design-Stil fokussiert sich auf die enormen zuvor gemachten Erfahrungen der Teammitglieder.) Dennoch hören wir so gut wie nie jemanden davon sprechen. Teams, die das adaptieren, kommen zu großartigen Ergebnissen, aber nicht viele ziehen es als Option in Erwägung.

Die anderen Entwicklungsstile scheinen mehr geradeaus zu sein. Self-Design erfordert nur den Blick des Entwicklungsteams auf die eigenen Vorlieben und Abneigungen bezüglich der Oberfläche. Aktivitätsfokussierte Entwicklung und nutzerzentrierte Entwicklung haben den Vorteil eines gut dokumentierten Sets an Nutzererlebnissen.

Aber Genius Design steht für sich alleine. Es erfordert Zeit, Anstrengung und eine Langzeitinvestition, damit es funktioniert. Alles in allem müssen Sie so viel über die Nutzer, ihre Bedürfnisse und Probleme wissen, dass Sie ein verdammtes Genie sind. Das passiert nicht über Nacht.

Eine Investition in die Zukunft machen

Ein Team, das den Genius-Design-Ansatz verfolgt, muss sich auf ein spezifisches Problem fokussieren, für das es einen ausreichend großen Markt gibt, um einen ordentlichen Return on Investment zu generieren. Beispielsweise könnte eine Agentur sich vornehmen, zum Branchenexperten darin zu werden, Websites für Krankenhäuser in kleinen Kommunen zu erstellen. Weil es Tausende solcher Krankenhäuser im Land gibt, von denen viele ziemlich miese Websites haben, ist das ein Markt, der aussichtsreich sein könnte. Gelänge es ihr, Expertise in diesem Bereich zu etablieren, könnte die Agentur eine kosteneffektive maßgeschneiderte Lösung anbieten, die funktioniert.

Das heißt, dass die Agentur alles, was sie kann, über die Leute lernen müsste, die die Websites betreiben und die die Websites nutzen, und darüber, was die Websites brauchen, um jedermanns Bedürfnisse zu erfüllen. Gelingt Ihnen das, schaffen Sie ein Insider-Know-how, das Sie von jeder anderen Webdesign-Agentur unterscheidet, denn Sie werden wissen, wie Sie Ihre Expertise potenziellen Kunden demonstrieren.

Den Schritt in Richtung Genius-Design zu wagen, bedeutet zu akzeptieren, dass die ersten paar Projekte weniger profitabel sein (oder sogar mit Verlusten enden) werden. Das Team verwendet Extra-Ressourcen, um sich tief in die Nutzerforschung einzugraben und ein Toolkit zu entwickeln, das künftige Projekte vorantreibt. Diese künftigen Projekte wiederum werden hochprofitabel sein, weil die Grundlagen in den früheren Projekten gelegt wurden.

Nicht nur für Agenturen

Wir haben eine Menge interne Teams getroffen, die vom Genius-Design profitieren. Diese Leute sitzen typischerweise in Firmen, in denen es vorteilhaft ist, ein gemeinsames Nutzererlebnis maßzuschneidern. Zum Beispiel nutzte das Webdesign-Team eines großen Sportartikelhändlers Genius-Design, um die Kundenservice-Funktionalitäten über die verschiedenen Geschäfte hinweg auf Linie zu bringen. Obwohl die Systeme aller Filialen dieselben Grundfähigkeiten hatten, war für die Web-Präsentation dennoch Spezialwissen über die spezifischen Eigenschaften eines jeden Shops und seiner Kunden erforderlich.

Es fiel dem Team schwer, in den ersten paar Shops, an denen sie arbeiteten, Gemeinsamkeiten zu finden. Als sie sich aber von Region zu Region vorarbeiteten, begannen sie, Muster im Hinblick auf die User und die nötigen Funktionen zu erkennen. Als sie mehr und mehr Wissen über die zu lösenden Probleme aufbauten, wurde es immer einfacher, funktionierende Lösungen zu entwickeln.

Geheimnis #1: Nutzerforschung als alles antreibende Kraft

Genius-Design beginnt mit gründlicher Nutzerforschung. In den ersten paar Projekten verbringen die Teams mehr Zeit als üblich damit, sich tief in den Problemraum einzuarbeiten. Sie lernen alles Erdenkliche über die Nutzer und studieren, wie diese User mit den aktuellen Systemen umgehen.

Die besten Genius-Design-Teams erstellen extensive Kataloge der Kontexte, auf die sie bei ihrer Nutzerforschung stoßen. Diese Kontexte werden die Entwicklungen der Teams eventuell voranbringen. Nutzerforschung steht nicht nur am Anfang des Projekts, sondern wird kontinuierlich durchgeführt. Die Teams probieren Design-Ideen an Usern aus, sobald sie aufkommen, indem sie den zukünftigen Nutzern Prototypen vor. Und sie sehen sich an, wie gut sich das finale Design macht, um einzuschätzen, ob die Lösung wie erhofft funktioniert. Wenn ein Projekt beendet ist, erzählt die Nutzerforschung seine komplette Geschichte in Form von Lessons Learned.

Geheimnis #2: Suchen nach dem Punkt der geringsten Überraschung

Wenn die Nutzerforschung keine neuen Erkenntnisse mehr bietet, ist der Punkt der geringsten Überraschung erreicht. Ist man an diesem Punkt angelangt, hat man einen großen Sprung in Richtung Genius-Design gemacht.

Alle im Team müssen sich an der Nutzerforschung beteiligen, bis der Punkt der geringsten Überraschung erreicht ist. Das schließt Backend-Entwickler (die Entscheidungen treffen, die die künftige Performance und Architektur beeinflussen) und Produktmanager (die Entscheidungen darüber treffen, was künftige Designs enthalten und was weggelassen wird) mit ein. Auf diesem Weg teilen alle Teammitglieder einen gemeinsamen Blick auf die Nutzer.

Geheimnis #3: Von Szenarien aus entwickeln

Von dieser Nutzerforschung aus kann das Genius-Design-Team ein "Big Picture" davon konstruieren, was die User tun wollen. Das formt die Basis der Szenario-Bibliothek.

Der Aufbau einer Szenario-Bibliothek gibt dem Team einen Sinn für die unterschiedlichen Wege, auf denen die Leute bei dem Design ansetzen. Es ist eine tolle Möglichkeit, die Nuancen und Feinheiten zu dokumentieren, die sich im späten Stadium der Nutzerforschung zu erkennen geben. Durch die Namensgebung für die einzelnen Szenarien entsteht ein Vokabular, mit dessen Hilfe das Team diskutieren kann, was es lernt. Je mehr Diskussion, desto brillanter das Ergebnis.

Geheimnis #4: Reich ausgestattete Personas

Für noch mehr Brillanz entwickeln Genius-Design-Teams Personas, die die Unterschiede im Nutzerverhalten beschreiben. Mit jedem Projekt sehen wir, ob die Nutzerforschung dieselben Nutzer aufdeckt wie die User, die wir in der Vergangenheit getroffen haben, oder ob wir etwas über neue Nutzertypen erfahren, denen wir bis dahin nicht begegnet sind.

Wenn das Team seine einzelnen Personas beschreibt, kann es die verschiedenen Verhaltensweisen, Motivationen und Kontexte katalogisieren, die es erkennt. Nach ein paar Projekten wird dieser Katalog zu einem schnellen Weg, um zu identifizieren, welche Design-Alternativen am besten funktionieren werden. Mit der Szenario-Bibliothek kombiniert, formt er die Grundlage des Toolkits, um schnell Design-Lösungen zu erreichen.

Geheimnis #5: Eine Muster-Bibliothek aufbauen

Hat das Team eine Bibliothek an Personas und Szenarien kompiliert, kann es anfangen, diese auf die am besten passenden Design-Lösungen abzustimmen. Die Muster-Bibliothek umfasst die Interaktionsdesigns, die visuellen Design-Elemente und die Informationsarchitekturen der möglichen Lösungen.

In den Aufbau einer extensiven Muster-Bibliothek zu investieren, zahlt sich aus, wenn das Team ideale Design-Lösungen in Rekordzeit identifizieren kann. Weil eine Muster-Bibliothek bewährte Lösungen für die nuancierten Personas und Szenarien enthält, die durch die Nutzerforschung aufgedeckt wurden, kommt das Team sehr schnell zu Ergebnissen. Agenturen kassieren Höchstpreise für die Arbeit, während interne Teams Lösungen zu substanziell verringerten Kosten liefern.

Geheimnis #6: Key-Performance-Indicatoren identifizieren

Am meisten zahlt es sich aus, wenn das Team so viel Nutzerforschung betreibt, dass es die treibenden Kräfte für den Erfolg aufdeckt. Von hier aus kann das Team den Kunden zeigen, wie diese Performance-Indikatoren die Weiterentwicklung des Nutzererlebnisses widerspiegeln. Das ist hilfreich, um künftige Projekte zu verkaufen und zugleich im Team zu reflektieren, welche Design-Entscheidungen den höchsten Ertrag gebracht haben.

Genius-Design zahlt sich aus

Genius-Design ist ein anspruchsvoller Ansatz, um Design-Entscheidungen zu treffen. Durch tiefgreifendes Studieren ähnlicher Projekte lernt ein Team, was funktioniert und was nicht. Dadurch wird das Team mit der Zeit immer wertvoller und erhebt sich mit jedem Folgeprojekt auf ein neues Level. Wir sehen mehr Teams, die den Sprung zum Genius-Design-Ansatz wagen. Er bietet einen tollen Weg fort von der Kommoditisierung der Entwicklungsarbeit, während echter Mehrwert an die Kunden ausgeliefert wird.

Dieser Artikel wurde im Original am 17. April 2013 unter dem Titel Genius Design's Little Secrets von Jared M. Spool veröffentlicht. Jared M. Spool gehört zu den führenden Usability-Experten unserer Zeit. Seine Website erreichen Sie unter http://www.uie.com. Weitere Artikel von Jared M. Spool finden Sie im Usability-Special von //SEIBERT/MEDIA.

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