Lean Startup: Warum Lean Canvas statt Business Model Canvas? (Teil 2)

Im ersten Teil dieses Artikels ist Ash Maurya auf seine Intention eingegangen, das Business Model Canvas von Alex Osterwalder zu modifizieren, und hat die Entwicklung des Lean Canvas' anhand einer Zeitlinie nachvollzogen.

Design-Ziele

Mein Hauptziel, das ich mit dem Lean Canvas erreichen wollte, war, es so belangbar wie möglich zu machen, während es zugleich Entrepreneur-fokussiert sein sollte. Die Metapher, die ich im Kopf hatte, war die eines grundlegenden taktischen Plans oder Blueprints, der den Entrepreneur den Weg von der Ideenbildung bis zur Entwicklung eines erfolgreichen Startups entlang führt.

Ich hatte bereits mit Lean-Startup-Prinzipien gearbeitet; entsprechend groß war der Einfluss auf die Ausgestaltung.

Startups arbeiten unter Bedingungen extremer Unsicherheit.

(Eric Ries)

Mein Ansatz, um das Canvas belangbar zu machen, war der, das abzubilden, was am unsichersten ist – oder genauer gesagt: das, was am riskantesten ist.

Unsicherheit: Der Mangel an Gewissheit, die Existenz von mehr als einer Möglichkeit.

Risiko: Ein Stadium der Unsicherheit, in dem einige der Möglichkeiten mit verlustreichen, katastrophalen oder anderen unerwünschten Folgen verbunden sind.

(Douglas Hubbard)

Ich fand, dass auf den ersten Business Model Canvas’, die ich im August 2009 entwickelt hatte, Dinge zu kurz kamen, die ich als sehr riskant einstufte, während für andere Dinge auf dem Canvas das Risiko nicht als hoch genug registriert wurde. Da das Canvas ziemlich wenig Platz bot, war es wichtig, den "Rauschabstand" zu maximieren. So begann ich, Felder zu tauschen.

Neu integrierte Felder

Problem
Die meisten Startups scheitern nicht deshalb, weil sie es nicht schaffen, das zu bauen, was sie bauen wollen, sondern weil sie Zeit, Geld und Mühe investieren, das falsche Produkt zu bauen. Diesen Umstand schreibe ich vor allem dem Fehlen eines einwandfreien Problemverständnisses von Anfang an zu.

Ein gut dargelegtes Problem ist ein halb gelöstes Problem.
(Charles Kettering)

Aus diesem Grund habe ich das Problem-Feld explizit gemacht und nicht als Derivat von etwas anderem dargestellt, etwa dem Nutzenversprechen.

Solution
Hat man das Problem einmal verstanden, ist man in der besten Position, eine mögliche Lösung (Solution) zu definieren. Abgesehen davon, wollte ich Entrepreneure bewusst einschränken (durch die Nutzung eines nur sehr kleinen Feldes auf dem Canvas), denn die Lösung ist das, dem wir uns mit der meisten Hingabe widmen. Bleibt sie ungeprüft, verlieben wir uns oft in unsere erste Lösung und treiben uns am Ende selbst in die Ecke und kämpfen schließlich mit Altlasten. Das Kleinhalten der Solution-Box passt außerdem gut zum Konzept des Minimum Viable Products (MVP).

Key Metrics
Startups ertrinken oft in einem Zahlenmeer, wenn sie versuchen, Ordnung in das Chaos der Unsicherheit zu bringen. Aber zu jedem beliebigen Zeitpunkt kommt es jeweils nur auf einige wenige Schlüsselaktionen (oder Schlüssel-Makrometriken) an.

Ein Startup kann sich nur auf eine Schlüsselmetrik fokussieren. Also muss es sich entscheiden, welche das ist, und alles andere ignorieren.
(Noah Kagan)

Wie kann das ein Risiko sein? Macht man beim Identifizieren der richtigen Schlüsselmetrik Fehler, kann das katastrophale Folgen haben und zu sinnlosen Aktivitäten wie der verfrühten Optimierung führen. Oder uns geht das Geld aus, während wir das falsche Ziel verfolgen. Anfangs sollten sich diese Schlüsselmetriken um die Value-Metriken herum zentrieren und sich später in Richtung der "Key Engines of Growth" verlagern.

Unfair Advantage
Das ist ein anderer Name für einen Wettbewerbsvorteil oder für Marktzugangsbeschränkungen, die sich oft in Business-Plänen finden. Mir war klar, dass vom ersten Tag an nur wenige Startups einen echten unfairen Vorteil haben, weshalb dieses Feld oft leer bleiben würde.

Ein wirklicher unfairer Vorteil ist etwas, das man nicht einfach kopieren oder kaufen kann.
(Jason Cohen)

Dieses Feld war nicht dazu gedacht, Entrepreneure zu entmutigen, mit ihrer Vision voranzuschreiten, vielmehr soll sie Gründer kontinuierlich ermutigen, daran zu arbeiten, ihren unfairen Vorteil zu finden bzw. zu entwickeln. Wenn ein Startup erst ein gewisses Level an erstem Erfolg erreicht hat, ist es unausweichlich, dass Konkurrenten und Nachahmer in den Markt eindringen. Hat man gegen diese keine Verteidigung, geht man das echte Risiko ein, zwischen diesen Mitbewerbern unterzugehen.

Das Hinzufügen von vier neuen Boxen bedeutete, dass vier andere Felder raus mussten.

Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.
(Antoine de Saint-Exupery)

Ausgetauschte Felder

Key Activities und Key Resources
Ich hatte das Gefühl, dass diese beiden Felder eher eine Outside-in-Orientierung hatten (statt eine Entrepreneur-Fokussierung). Sie zielen darauf ab, Außenstehenden zu helfen, hineinzusehen und zu verstehen, was das Startup macht. Ich habe mich dabei ertappt, wie ich hier Dinge wie "Customer Development", "Software-Entwicklung", "Entwickler" etc. aufgelistet habe, die Risiken nicht gut genug erfassen.

Auch stellte ich einige Überlappungen mit den Feldern fest, die ich schon hinzugefügt hatte:

  • Ich denke, die Schlüsselaktivitäten (Key Activities) können und sollten von der Solution-Box getrennt sein, nachdem das MVP initialem Testing / initialer Validierung unterzogen wurde.
  • Heute erfordert das Bauen von Produkten nicht mehr so viele (physische) Ressourcen wie früher. Mit dem Aufkommen von Internet, Open Source, Cloud Computing und Globalisierung brauchen wir weniger Ressorcen als je zuvor, um ein Produkt auf den Markt zu bringen – was die Schlüsselressourcen (Key Resources) enger an den unfairen Vorteil heranrückt. Doch während eine Schlüsselressource ein unfairer Vorteil sein kann, sind nicht alle unfairen Vorteile Schlüsselressourcen.

Customer Relationships
Ich bin ein Verfechter dessen, jedes Produkt (egal, was wir bauen) mit direkten Kundenbeziehungen zu starten (durch Kundeninterviews/Kundenforschung) und dann den geeigneten Weg zu den Kunden entsprechend der Lösung und des Kundensegments (Customer Segment) zu identifizieren. Dies schien besser mithilfe der bestehenden Channels-Box abbildbar zu sein.

Key Partners
Ich gestehe, dass mir hier das Entfernen am schwersten gefallen ist und es die meisten Diskussionen erzeugt hat. Ja, bei manchen Produkten ist der Erfolg daran geknüpft, zuerst die richtigen Schlüsselpartner (Key Partners) zu etablieren. Wer zum Beispiel ein globales Solarstromnetz (Plattform) aufbauen will, was gewaltigen Kapital- und Regulierungsanforderungen unterliegt, müsste wahrscheinlich erst die richtigen Schlüsselpartnerschaften auf den Weg bringen. Aber ich würde behaupten, dass die meisten Produkte nicht in diese Kategorie fallen.

Wenn Sie ein unbekanntes Startup mit einem nicht getesteten Produkt sind, kann der Aufbau von Schlüsselpartnerschaften vom ersten Tag an eine Form von Verschwendung sein.

Mit der Zeit können Partner kritisch für die Optimierung des Geschäftsmodells werden, aber das Risiko ist hier nicht der Mangel an Partnern, sondern geht eher aus Ineffizienzen im Hinblick auf die Kostenstruktur (Cost Structure) und die Distributionskanäle (Channels) hervor. Dafür passen eben jene beiden Felder gut.

Im folgenden dritten und letzten Teil des Artikels beantwortet Ash Maurya abschließend häufige Fragen von Entrepreneuren zum Lean Canvas.

Dieser Artikel wurde im Original am 27. Februar 2012 unter dem Titel Why Lean Canvas vs Business Model Canvas? von Ash Maurya veröffentlicht. Ash Maurya gehört zu den führenden Köpfen der internationalen Gründerszene und ist einer der renommiertesten Experten für Lean Startup und Customer Development. Seinen Weblog finden Sie unter www.ashmaurya.com/blog. Die Website seines Unternehmens Spark59 erreichen Sie unter http://spark59.com. Mehr Fachartikel bietet unser Lean-Special.

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