Den richtigen Stil für UX-Design-Entscheidungen finden (Teil 2)

Im ersten Teil des Artikels ist unser Gastautor darauf eingegangen, dass die effektivsten UX-Teams sich bewusst darüber sind, wie sie UX-Design-Entscheidungen treffen. Zwei Formen der Design-Entscheidungsfindung hat er bereits beschrieben, nun erläutert er weitere.

Investition in Talent: Self Design

Einer der neueren Designer meldete sich zu Wort: "Ich fand gut, was Sie in Ihrem Vortrag über Self Design gesagt haben. Vielleicht können wir das machen?" Mit Self Design haben wir es zu tun, wenn UX-Designer ein Produkt entwickeln, dass sie persönlich gerne nutzen würden.

Das erste iPhone ist ein berühmtes Beispiel für ein Team, das Self Design als Stil der Entscheidungsfindung angewendet hat. Das Team bei Apple musste nicht rausgehen und umfangreiche Nutzerforschung über die Probleme und die Frustration betreiben, die die Leute mit ihren Telefonen hatten.

Jedes einzelne Mitglied des iPhone-Teams hasste die alten Telefone. Sie hatten die Probleme und den Frust am eigenen Leib erfahren. Sie entwickelten etwas, das sie glücklich machen würde, und machten damit Millionen von Leuten glücklich.

Self Design funktioniert am besten, wenn das Produkt eines ist, das das Team täglich nutzt. Wenn das Team unabsichtlich einen frustrierenden Aspekt einführt, werden sie ihn bemerken und korrigieren.

Self-Design-Teams haben tendenziell eine limitierte Diversität. Am Ende müssen alle auf dieselbe Weise denken, damit sich das Produkt wie eine geschlossene Einheit anfühlt. Diese Teams können auch nicht stark wachsen, denn mit mehr UX-Designern werden perspektivische Variationen eingeführt.

Kostenseitig ist das ein relativ günstiger Ansatz. Die Hauptinvestition des Unternehmens ist die in das Talent der UX-Designer. Es ist jedoch zugleich ein limitierter Ansatz. Er ist toll für eine erste Version einer neuen Art von Produkt, aber er funktioniert nicht für künftige Versionen des Designs, vor allem wenn das Team Features einführen muss, die die Mitglieder niemals selbst nutzen werden.

Basierend auf Nutzerforschung: Aktivitätsfokussiertes Design

"Ich habe den Eindruck, dass aktivitätsfokussiertes Design hier die beste Option wäre", schlug ich vor. Aktivitätsfokussiertes Design ist der Stil, der konventionellen Ideen wie dem nutzerzentrierten Design am nächsten kommt. Das Team verbringt seine Zeit damit, die User und ihre Aktivitäten zu erforschen. Das Team deckt die Bedürfnisse der Nutzer auf und erarbeitet, wie das Produkt diese Bedürfnisse adressieren kann.

Beim aktivitätsfokussierten Design blicken die Teams über die eigenen Meinungen dahingehend, wie das Produkt funktionieren sollte, hinaus. Stattdessen verbringen sie Zeit mit ihren Usern und steigen tief in die Ziele dieser Nutzer ein.

Bei diesem Stil arbeiten Teams mit Werkzeugen wie Personas, Szenarien und Journey Maps. Sie führen regelmäßig umfangreiche Nutzerforschung in Form von Usability-Tests und Feldstudien durch. Sie erstellen Prototypen, die die User ausprobieren können, und entwickeln UX-Designs Iteration für Iteration.

All das ist nicht billig. Es erfordert Zeit und Ressourcen. Es ist am effektivsten, wenn alle – inklusive Produktmanager und Entwickler – die Nutzer treffen und sehen, wie diese mit den UX-Designs interagieren. Die Kosten für diese Arbeit summieren sich schnell.

Dennoch lohnen sich diese Kosten für Organisationen, die es ernst damit meinen, die diversen Bedürfnisse ihrer entscheidenden User und Kunden zu erfüllen. Die UX-Designer decken Frustration auf und runden Kanten ab. Sie erschaffen erfreuliche Nutzererlebnisse, die ihre Produkte von denen der Konkurrenz abgrenzen.

"Das ist es, was wir zu tun versucht haben", sagte der Director of UX. "Aber wenn wir die Nutzerforschung weglassen, fallen wir zurück ins Self-Design."

"Genau, außer dass unsere UX-Designer nicht alle gleich sind", fügte einer der Teamleiter hinzu. "Das erklärt, warum einige Teile unseres Produkts die User frustrieren. Wir alle haben unterschiedliche Herangehensweisen an unsere Aufgaben, ohne den Nutzern Rechnung zu tragen."

Der langfristige Stil: Genius Design

"Ich denke, wir sollten von jetzt an aktivitätsfokussiertes Design nutzen", erklärte der Director.

"Das ist ein guter Anfang", antwortete ich, "aber Sie könnten sich den Weg weiter bis zum Genius Design entlang arbeiten.“ Genius Design entsteht, wenn ein Team seine Nutzer so gut kennt, dass es die Ergebnisse der Nutzerforschung akkurat vorhersagen kann. Sie lernen, wie sie Genies für den Wirkungsbereich ihres Produkts werden.

Auf diesen Stil der Entscheidungsfindung treffen wir am häufigsten in Agenturen, die in einem bestimmten Nischenmarkt jagen. Zum Beispiel würde eine Agentur, die mit High-end-Backgeschäften zusammenarbeitet, alles Erdenkliche über kleine Bäckereien und ihre Funktionsweisen lernen. Sie würden die Variationen und den Betrieb studieren.

Die Agentur könnte Beratung und Expertise dazu anbieten, wie man eine Bäckerei effizient betreibt, denn sie würde die Best Practices anderer Bäckereikunden genau kennen.

Der Weg zum Genius Design beginnt mit aktivitätsfokussiertem UX-Design. Wenn das Team die User und die Aktivitäten einer Vielzahl von Kunden studiert hat, wird es Muster erkennen. Mit der Zeit wird das Team so versiert im Hinblick auf die Gemeinsamkeiten über die Kunden hinweg, dass sie vorhersagen können, was künftige Nutzerforschung ergeben wird. Diese Prognosen können so akkurat werden, dass das Team den Großteil der Nutzerforschung gar nicht mehr durchführen muss. Sie wenden nun Genius Design als Stil der Design-Entscheidungsfindung an.

Genius Design reduziert die Kosten eines jeden Projekts, weil es Massenproduktionsvorteile bietet. Da das Team die Gemeinsamkeiten kennt, kann es Tools entwickeln, die die Bedürfnisse einer großen Anzahl der Kunden erfüllen. Die Nutzung dieser Tools über künftige Projekte hinweg reduziert die erforderliche Gesamtinvestition.

Genius Design funktioniert nur, wenn neue Projekte Vorteile aus der Nutzerforschung und der Design-Arbeit früherer Projekte ziehen können. Wenn es nicht viele Überlappungen im Hinblick auf die User und ihre Bedürfnisse gibt, ist aktivitätsfokussiertes Design die bessere Option.

Ein anderer Stil für jedes Team

Das Team einigte sich darauf, mit aktivitätsfokussiertem Design zu starten, um sich nach einer Weile zum Genius-Design-Team weiterzuentwickeln. Sie waren der Überzeugung, dass ihre künftigen Produktpläne jede Menge Überschneidungen ergeben würden. Sie würden von den Dingen profitieren können, die sie bereits erforscht haben.

Das wird nicht bei jedem Team funktionieren. Für jeden UX-Design-Stil gibt es einen Ort und eine Zeit. Die Wettbewerbslandschaft, die Natur des Produkts oder der Dienstleistung, die Anforderungen der Kunden und die Ausprägung und Reife des UX-Know-hows im Unternehmen spielen wichtige Rollen bei der Entscheidung.

Teams müssen ihre Entscheidungsfindungsstile regelmäßig re-evaluieren. Nutzen sie nach wie vor einen Stil, der ihren Bedürfnissen entspricht? Funktioniert er auch, wenn das Projekt voranschreitet? Denken alle, dass es sich um denselben Stil handelt?

Die besten Teams treffen nicht nur Entscheidungen, sondern sie behalten den Überblick darüber, wie sie Entscheidungen treffen.

Dieser Artikel wurde im Original am 14. Januar 2015 unter dem Titel Figuring Out Your Design Decision Style von Jared M. Spool veröffentlicht. Jared M. Spool gehört zu den führenden User-Experience-Experten unserer Zeit. Seine Website erreichen Sie unter http://www.uie.com. Weitere Artikel von Jared M. Spool finden Sie im Usability-Special von //SEIBERT/MEDIA.

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