Der Anti-SharePoint-Sprecher auf der Cebit: Warum Unternehmen Intranet-Nutzern nicht geben, was sie brauchen und wollen

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Während ich das schreibe, bin ich auf dem Weg zur Cebit, um an einer Podiumsdiskussion über Intranets teilzunehmen. Ich bin freundlicherweise von Björn Negelmann eingeladen worden, der mich nach eigenen Worten als "Intranet-Experten" wahrnimmt. Neben den vielen Menschen, die als Berater aktiv Microsoft SharePoint verkaufen, gehören wir wohl eher zu denen, die darunter leiden.

Ja, wir verlieren Projekte an Konzerne, die SharePoint ausrollen. Aber das meine ich nicht. Das ist okay. Das Leid liegt eher bei unseren Kunden und betrifft uns damit nur mittelbar. SharePoint macht in unserem Geschäft folgende Probleme:

Anwender finden es oft unbrauchbar und nutzen es nicht

Das beste Beispiel gibt dafür wohl eine große deutsche Bank ab, die uns damit beauftragte, Confluence aus dem Unternehmen zu vertreiben:

"Sie kennen sich doch mit den Atlassian-Werkzeugen aus wie kein anderer. Wir haben bei uns intern über 18.000 Mitarbeiter, die Confluence nutzen. Das dürfen die aber nicht! Bei uns ist SharePoint gesetzt! Bei der internen Revision werden deshalb immer wieder Fälle bekannt, in denen Teams auf eigene Faust Confluence nutzen. Das wollen wir jetzt abstellen. Und Sie sollen uns dabei helfen."

Man möchte also, dass wir an einem Funktionsvergleich mitwirken, um den Anwendern zu verdeutlichen, dass SharePoint genauso gut als Kollaborationswerkzeug und Intranet-System genutzt werden kann wie Confluence. Macht ja eigentlich keinen Unterschied.

Zu Beginn werden noch Anwender mit eingeladen und befragt. Die sind von SharePoint frustriert und weigern sich, damit zu arbeiten. Sie nennen Gründe, warum sie Confluence nutzen. Das führt nicht in die richtige Richtung. Die Gespräche mit Anwendern werden ausgesetzt.

Wir beginnen gemeinsam mit den SharePoint-Profis in der Bank, einen Funktionsvergleich anzustellen. Einfache Dinge wie das Veröffentlichen von Informationen und Dateien und die gemeinsame Arbeit daran. Wir messen die Zeitdauer und die Anzahl der Klicks und prüfen, wie einfach der Prozess abläuft.

Nach vier Monaten fliegen wir aus dem Projekt raus. Die Ergebnisse sind nicht geeignet, um Confluence über den Jordan zu kicken. Die Anwender haben sich die Vergleichstabellen zueigen gemacht, um gegen SharePoint zu argumentieren.

Es wird oft einfach von der IT auf andere Unternehmensteile ausgerollt

Das Einführungsmodell von SharePoint ist in der Regel "top-down". Die Unternehmensführung oder die IT-Leitung rollt das System auf das Unternehmen aus. Die Entscheidung wird "oben" getroffen. Zur Argumentation gehört häufig auch der Nutzen, der "an der Basis" des Unternehmens entstehen soll. Die Projekte werden aber oft zentral konzipiert und durchgeführt und dann in die "Peripherie" ausgerollt. Dabei werden die Awender nicht selten überrollt und weder inhaltlich noch emotional abgeholt.

Am frustrierendsten sind für mich Berichte, in denen ich von Argumenten wie diesem höre: "Unser Unternehmen verfolgt eine Microsoft-Strategie." Oder: "Die Lizenzen sind im Unternehmen schon vorhanden und kosten uns nichts mehr. Es ist günstig für uns, SharePoint einzusetzen." Oder: "Unsere Mitarbeiter arbeiten mit Microsoft Office. Daher setzen wir auf Microsoft SharePoint." Oder: "Der Betrieb der Microsoft-Systeme ist für uns einfacher."

All diese Argumente haben einen nachvollziehbaren Kern, sind allerdings substanziell fehlerhaft.

Die Microsoft-Strategie mit günstigen Benzinpreisen

Es ist spannend und anerkennenswert, dass Microsoft es schafft, dass andere Unternehmen sich offen dazu bekennen, nur Lösungen von Microsoft einsetzen zu wollen. Das an sich ist erstmal genauso sinnvoll wie die Strategie, nur noch bei Aral zu tanken.

Wenn Aral mir einen sehr günstigen Benzinpreis anbietet, lasse ich mich als Unternehmen vielleicht davon überzeugen, meine Fahrer alle zu Aral-Tankstellen zu lotsen. Das lohnt sich ja. Aber auch da ist der Grenznutzen schnell erreicht, wenn die Shell-Tankstelle direkt vor der Tür und die nächste Aral-Tankstelle 20 Minuten entfernt ist. Wie viel günstiger soll das Benzin sein, damit sich 40 Minuten Fahrtzeit lohnen?

Aber zurück zur Microsoft-Strategie. Die funktioniert nämlich genauso. Mein Unternehmen will Office & Co. von Microsoft nutzen. Das kostet <Batzen Kohle>. Der freundliche Microsoft-Lizenzberater bietet mir die Rundum-sorglos-Microsoft-Strategie-Unternehmenslizenz an. Kostet auch nur <Batzen Kohle>. Fast kein Unterschied. Jetzt kann ich SharePoint einfach so mitnutzen. Das kostet nichts extra. Einmal im Jahr <Batzen Kohle> zahlen und darüber hinaus ist alles kostenfrei.

Muss ich deshalb mein Intranet mit SharePoint bauen? Keineswegs. Ist deshalb SharePoint die beste Lösung für meine Mitarbeiter? Mitnichten. Wenn ich herausfinde, dass ein anderes System besser funktioniert als SharePoint, verhält sich das wie mit der Aral-Tankstelle, die zu weit weg ist. Man sollte die Lösung wählen, die zu den Bedürfnissen passt, und sich nicht vorher auf Pauschalaussagen versteifen.

Unsere Mitarbeiter arbeiten mit Microsoft Office, daher setzen wir auf Microsoft SharePoint

Ja, das ist ein guter Punkt. Die Welt lebt in Word, Excel, PowerPoint und Outlook. Und wenn das meine heutigen Werkzeuge sind, dann ist ein voll integriertes Produkt wie SharePoint eine naheliegende Ergänzung. Und genau deshalb ist SharePoint wohl hauptsächlich so erfolgreich. Das Problem ist nur, dass der Status quo bereits ein Problem ist.

Ihre Mitarbeiter nutzen Dateien. Dateien sind heute schon von gestern. Sie liegen in unterschiedlichen Versionen vor und verhindern eine wirklich schnelle und gute Zusammenarbeit. Das hat sogar Microsoft selbst gemerkt und setzt inzwischen voll auf die Cloud und Web-Oberflächen. Denn dort arbeiten alle zusammen auf einer Version, die immer aktuell und für alle verfügbar ist.

Microsoft hat sogar schon so stark umgelenkt, dass sie dabei beinahe die SharePoint-Community abgehängt hätten. Für SharePoint werde man künftig keine Versionen mehr "hinter der Firewall" anbieten, wurde da in der Branche kolportiert. Sei nicht korrekt, ließ der Konzern später vermelden. Man plane eine weitere Version in drei Jahren. Und über längere Zeiträume habe man bei Microsoft noch nie geplant. Ergebnis offen.

Fakt ist, dass Dokumente in fünf bis 15 Jahren in der heute bekannten Form nicht mehr existieren werden. Daher ist es auch kein nachhaltiges Argument, dass die Excel- und Word-Welt mit SharePoint besser integriert sei. Und selbst wenn einem das wichtig ist, gibt es Systeme, die ebenfalls eine hervorragende, starke Integration von Dateien aufweisen können.

Es ist nur naheliegend, dass Microsoft das gut kann. Aber wir hören von unseren Confluence-Usern, dass sie die Integration von Office-Dokumenten in Confluence gelungener finden. Abschließend kann ich das nicht beurteilen. Das leicht etablierte Argument wirkt jedenfalls nur an der Oberfläche.

Im zweiten Teil des Artikels frage ich, warum in aller Welt so viele Unternehmen so leichtfertig so viel Geld für SharePoint-Implementierungen ausgeben, die dann am Ende so bescheidene Ergebnisse bringen. Denn SharePoint fördert Unternehmenswerte, die heute überholt sind.

Weiterführende Infos

LINCHPIN - Social Intranet auf Confluence-Basis
MS SharePoint: Mit dem Panzer zum Supermarkt
SharePoint als Wiki versus Confluence: Kriterien und Anforderungen
MS-SharePoint-Projekte sind teuer


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