Durchdringung mit UX-Design: Zwei nötige Mutationen der organisatorischen DNA (Teil 1)

Simpler und einfacher – das war die Idee hinter LetterPerfect, dem neuesten Release der WordPerfect Corporation damals im Jahr 1990. Sie wollten das Thema Textverarbeitung über die komplizierte Welt hinaus bringen, die mit dem acht Jahre alten Flaggschiff von WordPerfect eingeführt worden war. Schneller zu erlernen, einfacher zu nutzen und besser als alles, was sie vorher produziert hatten, sollte es sein. Das Team hatte jahrelang daran gearbeitet und es gegen die Konkurrenz getestet, und sie wussten, dass sie etwas Besseres gebaut hatten. Sie waren stolz.

LetterPerfect war vom ersten Tag der Auslieferung an ein Reinfall. Obwohl der Preis nur bei 100 Dollar lag (WordPerfect 5 kostete 799 Dollar), kaufte niemand das Produkt. Es widersprach jeder Logik: Wie konnte ein günstigeres Produkt, das im Vergleich zum etablierten Marktführer ein substanziell besseres Nutzererlebnis bot, ein Misserfolg werden?

Der Flop von LetterPerfect läutete für die WordPerfect Corporation den Anfang vom Ende ein. Am Ende des Jahrzehnt sollten sie nur noch ein Schatten ihrer selbst sein, ungeachtet des substanziellen Wachstums im Textverarbeitungsmarkt.

Alles funktionierte, außer das Geschäftsmodell

LetterPerfect war allen anderen Produkten am Markt überlegen, und das verursachte den Misserfolg. 1982 kam das originale WordPerfect-Produkt für den PC heraus. In den darauffolgenden acht Jahren baute WordPerfect ein Imperium auf und dominierte den Textverarbeitungsmarkt in diesem Jahrzehnt komplett.

Das Imperium wurde von einem Netzwerk an Resellern begründet. Das Unternehmen hatte nicht viel direkten Kontakt zu seinen Nutzern. Stattdessen installierten die Reseller die Software, trainierten die User und boten Frontline-Support an. Der Preis der Software (und die Marge, die die Reseller daran verdienten) war nur ein kleiner Teil der Einkünfte, die das Reseller-Netzwerk generierte. Zur Zeit, als LetterPerfect veröffentlicht wurde, verdiente das weltweite Reseller-Netzwerk Summen, die heute Milliarden von Dollar entsprechen würden.

Das einfach zu nutzende LetterPerfect gab diesen Resellern nicht viel zu tun. Es erforderte weder Schulung noch Support. Die Installation war schlank. Und beim Preis von 100 Dollar fiel nicht viel an Marge ab. Es gab für die Reseller keinen Anreiz, das Produkt zu verkaufen.

Das ursprüngliche WordPerfect-Programm war kompliziert und schwer zu nutzen. Deshalb machten die Reseller ihr Geld damit. Eine Menge Geld. Es simpler und einfacher zu machen, lief ihrem Geschäftsmodell entgegen.

Das Unternehmen hatte kein Backup-Geschäftsmodell. Sie hatten keinen Weg abseits des Reseller-Netzwerks, um das Produkt zu bewerben und zu verkaufen. Die Art und Weise, wie WordPerfect gebaut war, führte zu ihrer Demission. Ihre DNA konnte mit dem einfacheren Produkt nicht umgehen. Obwohl der Markt sich in diese Richtung bewegte. Das brachte sie um.

Eine neue Geschäftsmodell-Schlacht

Schneller Vorlauf zum Jahr 2015. Wir sind Zeugen des gleichen Geschäftsmodell-Versagens wie damals. Es spielt sich vor unseren Augen ab.

Diesmal geht es nicht um Textverarbeitungen, sondern um Taxis.

Der Aufstieg des Auto-Sharing-Dienstes Uber hat Druck auf die unabhängigen Taxifirmen aufgebaut, ihr Spiel auf eine neue Stufe zu heben. Vor Uber saßen die Taxiunternehmen hübsch und erfolgreich in ihrem Nest; in den Städten, die sie bedienten, hatten sie praktisch Monopole. Das Bestellen war plump, die Zahlung (speziell mit Kredit- oder Debit-Karten) war unangenehm, die Autos waren oft unsauber und die Fahrer waren häufig schwierig.

Uber hat dieses Erlebnis verändert. Die Autos sind sauber. Die Fahrer sind meistens nett. Die Bestellung und die Zahlung werden mit einer einfachen, nutzerfreundlichen Applikation abgebildet.

Plötzlich hatten die schwer zu nutzenden Taxidienste einen einfach zu nutzenden Konkurrenten. Sie waren darauf nicht vorbereitet. Anfangs setzten sie all ihre Anstrengungen daran, ihre Monopole zu erhalten, aber diese Bemühungen scheiterten größtenteils. Uber war gekommen, um zu bleiben.

Um mit Uber zu konkurrieren zu können, mussten die Taxifirmen ihr Kundenerlebnis verbessern. Bisher hat sich das schwierig gestaltet. Die DNA eines Taxiunternehmens dreht sich nicht um tollen Kundenservice. Der Wechsel zu einer computergestützten Disposition nimmt den mächtigsten Leuten im Netzwerk die Arbeit weg. Der Aufbau einer Payment-Infrastruktur ist schwierig für Leute, die Technologie niemals umarmt haben. Die Wagenflotte zu überholen und die Fahrer zu schulen, um ein schöneres Erlebnis zu bieten, sind kostspielige Posten.

Die Taxiunternehmen marschieren auf das gleiche Schicksal zu, wie es die WordPerfect Corporation ereilt hat. Wie WordPerfect bekämpft ihr bisheriges Geschäftsmodell ihre Fähigkeit, bessere Kundenerlebnisse zu liefern. Wenn sie nicht bald etwas tun, werden sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die DNA der Taxifirmen muss sich verändern.

Es kann sogar schon zu spät dafür sein.

Die Veränderung der organisatorischen DNA ist schwierig

Ein Jahr, nachdem Steve Jobs zu Apple zurückgekehrt war, lieferten sie die Produkte iMac G3 und Powerbook G3 aus. Zu jener Zeit verkaufte Apple seine Produkte hauptsächlich über Drittverkäufer, zumeist große Kaufhäuser wie Best Buy, Sears, Circuit City, Computer City und CompUSA.

Wie die WordPerfect Corporation war Apple abhängig von diesen Retailern, die die Produkte verkauften und Support anboten. Aber diese Drittanbieter verkauften auch die Produkte der Apple-Konkurrenten. Apple hat nur einen kleinen Ausstellungsbereich in den Geschäften. Die Kunden mussten sich mit ungeschulten Verkäufern und schlechten Produktpräsentationen abfinden. Das fördert keine Loyalität unter den Kunden, die oft weniger teure Windows-PCs wählten.

1998 gaben Jobs und sein neu eingestellter SVP of Worldwide Operations Tim Cook bekannt, dass sie mit diesen Retailern nicht glücklich seien. Sie begaben sich auf den Pfad in Richtung Veränderung der Apple-DNA, indem sie ein neues Verkaufsmodell erschufen: den Apple Store. Drei Jahre später eröffneten sie den ersten in der Mall Tysons Corner Center. Der Rest ist Geschichte.

Es war kein einfacher Übergang für Apple, aber sie brachten es zustande. Nun betreiben sie das wertvollste Retail-Geschäft der Welt. Sie kontrollieren das gesamte Kundenerlebnis, von dem Moment an, in dem ein Kunde den Laden betritt. Sie haben ihre DNA verändert. Sie sind nicht mehr abhängig von einem Verkaufsnetzwerk, sie haben ihr eigenes.

Apple ist nicht das einzige Unternehmen, das diese Reise gemacht hat. In den letzten Jahren hat die New York Times ihre DNA weg von der Abhängigkeit von Werbetreibenden hin zu Umsätzen durch ihre Online-Abonnenten verändert. Das heißt, dass Leser direkt für die hohe journalistische Qualität bezahlen, statt mit Werbetreibenden zu kämpfen, die mehr Platz für ihre Anzeigen verlangen.

Etablierte, jahrzehntealte Unternehmen in allen Sektoren wie GE, Fidelity Investments und Marriott International arbeiten hart daran, ihre DNA so zu verändern, dass ihre Organisationen von UX-Design durchdrungen werden. Jedes Unternehmen muss andere Herausforderungen meistern, aber es gibt einige gemeinsame Muster dahingehend, wie man es anpackt.

Diese sind Thema des zweiten Teils dieses Artikels.

Dieser Artikel wurde im Original am 9. April 2015 unter dem Titel Becoming Design-Infused: 2 Necessary Mutations to Organizational DNA von Jared M. Spool veröffentlicht. Jared M. Spool gehört zu den führenden User-Experience-Experten unserer Zeit. Seine Website erreichen Sie unter http://www.uie.com. Weitere Artikel von Jared M. Spool finden Sie im Usability-Special von //SEIBERT/MEDIA.

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