Mitarbeiter motivieren per Highscore

Dieser Gastartikel von Berater, Gründer und Autor Johannes Thönneßen (Profil und Website) gibt einen ersten Ausblick auf die Inhalte des kommenden interaktiven //SEIBERT/MEDIA-Webinars mit dem Titel Ranglisten im Intranet: Führung über Highscores, das am 3. August 2016 um 10:15 Uhr stattfindet. Moderatoren sind der Verfasser dieses Beitrags und Martin Seibert. Hier geht es zur kostenfreien Anmeldung.

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Menschen, die vor ihren Bildschirmen sitzen, Raum und Zeit vergessen und ununterbrochen Höchstleistungen bringen. Mehr noch: Die es nach einer Pause gar nicht abwarten können, wieder an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Und die schließlich mit sanfter Gewalt dazu gebracht werden müssen, endlich Feierabend zu machen. Ein Traum für jeden Arbeitgeber?

Solche Bilder drängen sich auf, wenn Unternehmen auf den Gedanken kommen, auf Gamification zu setzen. Mal abgesehen von den gesundheitlichen Folgen, die ein solches Arbeitsverhalten hätte (und dazu führen würde, dass diese Mitarbeiter irgendwann auf Entzug geschickt werden müssten) - ist es wirklich erstrebenswert, aus Mitarbeitern Spieler zu machen? Denn das scheint ja der zugrunde liegende Ansatz zu sein:

Da inzwischen die Generation der "Gamer" in die Unternehmen drängt– nutzen wir doch die spezielle Sozialisation dieser Generation! Sie ist mit Computerspielen aufgewachsen, sie kann mit unglaublicher Ausdauer vor dem Bildschirm die komplexesten Aufgaben lösen, sie ist daran gewöhnt, in nächtelangen LAN-Partys mit Anderen zu kooperieren, und hoch motiviert, den aktuellen Highscore zu brechen.

Moderne Arbeitsplätze sehen gar nicht so viel anders aus als die "Spielplätze" der jungen Leute – es sollte also doch möglich sein, die Leistung, sprich Menge, Geschwindigkeit und Qualität der Arbeit mit Punkten abzubilden. Das, so das Kalkül der Anbieter derartiger Lösungen, führt nicht nur zur Motivations- und damit zur Leistungssteigerung, sondern macht zudem auch noch richtig Spaß. Arbeit wird zum (Computer-) Spiel. Und damit das auch so richtig fluppt, kann man die Punkte am Ende einer Periode in hübsche Sachpreise umtauschen .

Neuigkeitseffekt

Vermutlich gelingt das sogar – am Anfang. So wie wir früher versuchten, einen Tetris-Rekord nach dem anderen zu brechen, so werden vermutlich auch hier einige Mitarbeiter sich mächtig ins Zeug legen, um ganz vorne in den Rankings zu landen. Was aber, wenn der Reiz des Neuen verfliegt? Wenn man feststellt, dass da nicht mehr viel zu holen ist, weil die Top-Scores nicht mehr zu knacken sind?

Dann muss ein neues Spiel her, ein neues System. Das ist gut für die Anbieter solcher Systeme, aber aufwändig für die Anwender. Und irgendwann wird auch das schönste Spiel langweilig. Aber selbst wenn es gelingt, immer wieder neue "Spiele" zu entwickeln: Wird man damit alle Mitarbeiter erreichen?

Kein Wettkampftyp

Es gibt Menschen, die reizt der Wettkampf – sei es mit anderen oder mit sich selbst. Sie möchten immer wieder ihre Grenzen austesten, sich selbst übertreffen, andere bezwingen. Aber es gibt auch die anderen, die solche Situation eher hassen und unter Wettkampfbedingungen leiden. Was dann das Gegenteil des Angestrebten zur Folge hat, nämlich sinkende Leistungen. Es ist kaum anzunehmen, dass hier eine Generation heranwächst, die dermaßen homogen ist, dass alle "Highscore-getrieben" funktionieren. Dann allerdings verpufft die Wirkung der Gamification – die einen werden glänzen, die anderen absacken.

Der Effekt der Rückmeldung

Also ganz die Finger davon lassen? Nicht unbedingt. Die meisten Leute wissen aus eigener Erfahrung, dass das Erlebnis von Verbesserung, von Fortschritt, von Entwicklung sehr motivierend sein kann. Wenn wir feststellen, dass das, was wir gerade beendet haben, gut gelungen ist, besser als beim letzten Mal oder sogar außergewöhnlich abschneidet, fühlen wir uns großartig.

Wozu sonst quälen sich Sportler über viele Jahre, schwingen Golf-Amateure jeglichen Alters immer wieder die Schläger in der Hoffnung, dass ihnen einmal eine großartige Runde gelingt? Warum tragen sie täglich aufs Neue ihre Werte in Scorecards, führen Listen, errechnen ihre Handicaps und freuen sich ein Loch in den Bauch, wenn sie dieses endlich um einen halben Punkt verbessert haben?

Hier wie auch bei den Computerspielen geht es gar nicht um die Punkte und Ranglisten an sich. Der Mechanismus ist ein anderer: Wir bekommen eine direkte Rückmeldung über den Erfolg oder Misserfolg unserer Tätigkeit. Wir sehen unmittelbar im Anschluss an eine Tätigkeit, ob sie erfolgreich war oder nicht. Ebenso unmittelbar können wir reagieren und unser Verhalten an der zuvor erfolgten Rückmeldung ausrichten und optimieren.

Bei den meisten beruflichen Tätigkeiten erfolgt die "Rückmeldung" auf unsere Leistung am Ende eines Monats in Form eines Gehalts auf dem Konto (allerdings ziemlich unabhängig von Menge und Qualität unserer Arbeit). Oder wir bekommen einmal im Jahre den Geschäftsbericht auf den Tisch, der keinen Aufschluss darüber erlaubt, welchen Anteil der Einzelne am Ergebnis hatte. Vielleicht erleben wir auch mal ein Lob bzw. eine kritische Äußerung des Vorgesetzten, wenn sich mal wieder eine Kunde bei ihm gemeldet hat. Die direkte Rückmeldung, z.B. durch den Kunden, ist bei den meisten Tätigkeiten extrem selten.

Genau hier aber müsste man ansetzen, wenn man erreichen will, dass Mitarbeiter mit ähnlicher Begeisterung an ihre Arbeit gehen. Sich überlegen, wie sie möglichst schnell und möglichst anschaulich ein Feedback über das Ergebnis ihrer Tätigkeit erhalten. Natürlich können das auch Zahlenwerte sein – wenn es sich anbietet. Aber eben keine künstlich erzeugten Punkte, sondern "natürliche Folgen" ihrer Leistung. So wie der Verkäufer auf dem Markt am Ende eines erfolgreichen Vormittages die leeren Kisten vor sich sieht, der Fliesenleger die Anzahl der verlegten Fliesen kennt, die Floristin die Zahl verkauften Blumensträuße weiß.

Wirtschaftsromantik? Vielleicht. Aber statt sich zu überlegen, wie man künstliche Belohnungssysteme schafft, sollte man die Energie lieber in die intelligente Darstellung der konkreten Arbeitsergebnisse stecken. Ob das mit Mitteln der modernen Medien und browsergestützt geschieht oder durch einfache Grafiken an der Wand, von Hand gepflegt, hängt sicher von der Art der Arbeit ab – Stichwort "Visual Factory". Kein wirklich neuer Ansatz, aber aktueller denn je.


Vorschaubild auf der Startseite: "Gamer" von yoko can't spell unter CC-Lizenz.

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