Innovationsmanagement

Ich habe eine Menge Zeit an der Grenze zwischen Geschäftsmodellierung und Lean Startup verbracht und dabei auch nach der richtigen Kategoriebezeichnung gesucht, um diese Arbeit zu beschreiben. Es reicht nicht, es einfach als das eine oder das andere zu bezeichnen.

Nach viel Überlegung habe ich mich auf den Begriff Innovationsmanagement festgelegt.

Ja, mir ist bewusst, dass Innovation bereits ein überladener Begriff ist und mehr nach Großunternehmen als nach Startup klingt. Die andere Alternative, die ich in Betracht gezogen hatte – Entrepreneual Management –, ist ein Zungenbrecher.

Ich nehme das Risiko in Kauf, die Leser jetzt vorübergehend zu verlieren – vorausgesetzt, ich gewinne sie bis zum Ende dieses Artikels wieder zurück.

Erfindung, Innovation und Innovationsmanagement

Eine Erfindung ist einfach ein neues Gerät, eine neue Methode oder ein neuer Prozess. Innovation auf der anderen Seite ist die Anwendung einer Erfindung zu dem Zweck, Wert für den Kunden zu erschaffen und auszuliefern. In der Sprache der Geschäftsmodellierung leben Erfindungen im Reich der Lösungen, während Innovationen im Reich des Geschäftsmodells leben.

Die meisten neuen Ideen scheitern, weil wir Entrepreneure uns verfrüht in unsere Erfindungen oder Lösungen verlieben. Wir stoßen auf eine neue Idee, wir verbringen unverhältnismäßig viel Zeit damit, unsere Lösung entweder umzusetzen oder Investoren zu finden, damit wir Ressourcen akquirieren können, um unsere Lösung umzusetzen – nur um nach Monaten der Anstrengung festzustellen, dass wir etwas gebaut haben, das niemand will.

Der Ansatz Umsetzung zuerst oder Investor zuerst geht in die falsche Richtung und ich schreibe ihn der Voreingenommenheit des Innovators zu. Es braucht Disziplin, um potenzielle Erfindungen in Innovationen zu verwandeln, und hier kommt Management ins Spiel.

Innovationsmanagement ist der disziplinierte Prozess, Erfindungen in Innovationen zu transferieren.

Und es ist für Startups ebenso anwendbar wie für etablierte Unternehmen.

Das Geschäftsmodell, nicht die Lösung ist das Produkt

Ich bin seit über einem Jahrzehnt Entrepreneur und während dieser Zeit habe ich dutzende Produkte gelauncht. Während alle meine Ideen als wunderbare Lösungen begannen, konnten sich nicht alle davon zu wunderbaren Geschäftsmodellen weiterentwickeln.

Sicher, wie jeder andere wollte ich, dass mehr meiner Ideen Erfolg haben, aber ich wusste, dass gute Ideen selten und schwer zu finden sind. Wir müssen durch eine Menge Dinge gehen, die nicht funktionieren, bevor wir diejenigen finden, die es tun. Also war ich auf die Suche vorbereitet. Worauf ich nicht vorbereitet war, waren die Durchlaufzeiten zwischen den Suchen.

Zu jener Zeit war ich bei durchschnittlich anderthalb bis zwei Jahren zwischen Ideen. Das war einfach zu lange. An irgend einem Punkt wurde mir klar, dass ich mehr Ideen als Zeit hatte, und mein persönliches Mantra wurde der Satz: "Das Leben ist zu kurz, um etwas zu bauen, das niemand will." Mein Fokus verschob sich dahingehend, einen besseren und schnelleren Prozess dafür zu finden, neue Ideen zu durchleuchten und meine Mühe nur in die besten Ideen zu stecken.

Wenn du nicht als Prozess beschreiben kannst, was du tust, weißt du nicht, was du tust.
- Edwards Deming

Ich wusste bereits, wie man Produkte entwickelt, und so war das Betrachten des Geschäftsmodells als Produkt besonders befähigend. Metaphern sind mächtig, weil sie helfen, Konzepte von einer Domäne in eine andere zu transponieren, und das ist exakt das, was ich tat, als ich einen Geschäftsmodell-Entwicklungsprozess beschrieben habe.

Vom einem Produkt-Entwicklungsprozess zu einem Geschäftsmodell-Entwicklungsprozess

Sagen wir, wir haben sechs Monate, um ein komplexes Projekt auszuliefern – dann wäre es vernünftig, mit einer Art grober Skizze oder grobem Plan anzufangen. In diesem Plan würden wir es wahrscheinlich als hoch priorisieren zu testen, was am riskantesten versus was am einfachsten ist, damit wir nicht ab Monat fünf wie die Verrückten anfangen zu strampeln. Schließlich würden wir wohl einen iterativen Entwicklungsprozess nutzen (wie Agile oder Scrum), um die Unsicherheit durch schnelle Lern- und Feedback-Schleifen auszubalancieren.

Der Entwicklungsprozess eines Geschäftsmodells ist nicht anders.

  1. Wie erstellen eine schnelle Skizze unseres Geschäftsmodells mithilfe eines Tools wie dem Lean Canvas.
  2. Wir identifizieren, was in diesem Modell am riskantesten ist.
  3. Wir testen und verfeinern unseren Plan systematisch, indem wir Experiment-Feedback-Schleifen nutzen.

Dieser dreistufige Geschäftsmodell-Entwicklungsprozess ist derselbe, den ich in meinem ersten Buch Running Lean umrissen habe. Der erste Schritt ist hier die Geschäftsmodellierung. Der dritte Schritt ist Lean Startup. Geschäftsmodellierung hilft, große Ideen in ihre Komponenten zu dekonstruieren, während Lean-Startup-Techniken helfen, diese Komponenten durch Experimente zu testen. Aber es gibt eine fehlende Verbindung – den Kitt, der die Schritte eins und drei verbindet: ein systematisches Framework, um zu priorisieren, welche Komponenten zuerst getestet werden müssen.

Startrisiken zu identifizieren, ist normalerweise einfach. Die meisten Produkte brauchen zuerst eine Validierung ihrer Kunden- und Problem-Annahmen. Wenn das in die Binsen geht, geht auch alles andere in diesem Geschäftsmodell in die Binsen. Aber jenseits der Startrisiken ist es nicht immer offensichtlich, was am riskantesten ist. Dies ist ein Kernproblem, das ich in meinem zweiten Buch Scaling Lean angepackt habe.

In der Produktentwicklung tun wir dies, indem wir anerkennen, dass Produktentwicklung ein System ist.

Ein System ist ein Set miteinander verbundener Prozesse mit einem einzelnen Engpass.
- Eliyahu Goldratt, Theory of Constraints

Wir beginnen, indem wir den Output des Produktentwicklungs-Prozesses definieren (Build Velocity in diesem Fall), bilden die Schritte ab, die zu diesem Output emporführen, und suchen nach Flaschenhälsen oder Beschränkungen. Wenn wir die Beschränkung identifizieren, identifizieren wir, was am riskantesten ist.

Derselbe Ansatz kann auch auf die Geschäftsmodell-Entwicklung angewendet werden. Aber der Output eines Geschäftsmodell ist nicht derselbe wie der eines traditionellen Produkts.

Traction Velocity, nicht Build Velocity ist das Maß eines funktionierenden Geschäftsmodells

Die Aufgabe eines Geschäftsmodells ist es, Wert zu erschaffen, auszuliefern und von Kunden einzusammeln. Monetarisierbaren Wert von Kunden abzugreifen, ist ausdrücklich der Schlüssel, denn es gibt kein Geschäft mit einem Geschäftsmodell ohne Umsatz. Der Output eines Geschäftsmodells ist damit ganz klar nicht einfach das Bauen einer tollen Lösung, sondern das Generieren monetarisierbaren Werts von den Kunden – gemessen als Traction. Alle Unternehmen teilen dieses Ziel, was es universal macht. Alle Unternehmen teilen auch den Makroschritt zum Erzeugen von Traction, der unten zu sehen ist:

Im obigen Bild habe ich Dave McClures Piratenmetriken (AARRR) als System neu gezeichnet, was gegenüber der Trichterdarstellung Vorteile hat. Damit habe ich mich hier befasst. Dieses Bild setzt ein One-Actor-Modell voraus, in dem User Kunden werden. Es ist recht einfach, dieses Modell für Multi-Actor-Modelle wie mehrseitige und Marketplace-Modelle zu erweitern.

Die Geschäftsmodellentwicklung ist wie die Produktentwicklung ein System. Wenn wir einmal die Schritte abgebildet haben, die hinauf zur Traction führen, und nach Beschränkungen suchen, geben sich die riskantesten Annahmen von selbst zu erkennen.

Ein weitere aus dem Playbook der Produktentwicklung übernommene Best Practice ist das Aufskalieren in Stufen. So, wie wir nicht versuchen (oder es nicht versuchen sollten), ein Produktentwicklungs-Team sofort von null auf 100 Leute zu vergrößern, so sollten wir auch nicht versuchen, ein Geschäftsmodell sofort von null auf eine Million Kunden aufzustocken.

Verfrühte Skalierung ist einer der Hauptkiller von Innovation.

Der Mal-zehn-Geschäftsmodell-Entwicklungszyklus

Zu versuchen, vom ersten Tag an aufzuskalieren, ist eine Einladung an alle Arten von Risiken zur selben Zeit: Kundenrisiken, Marktrisiken und technische Risiken. Ein gestufter Ansatz dagegen lässt uns den Fokus auf die richtigen Risiken zu richtigen Zeit legen. Die meisten Produkte scheitern aufgrund von Kunden- und Marktrisiken (nicht wegen technischer Risiken); also ist es sinnvoll, diese als hoch zu priorisieren. Eine sehr gute Strategie, dies wohlüberlegt zu tun, ist der Mal-zehn-Rollout. Mit anderen Worten: Wir gestatten uns die Entwicklung unseres Geschäfts in Stufen, wobei jede nächsthöhere Stufe bei der Größenordnung mal zehn erreicht ist.

Wenn wir beispielsweise ein Produkt erstmals launchen, sollten wir

  • uns auf die Early Adopter fokussieren.
  • uns nur auf eine Handvoll Kunden fokussieren.
  • uns damit beeilen, Wert auszuliefern.

Ich nenne das das Den-Easy-Button-Drücken. Wenn wir keinen Wert für eine Handvoll unserer besten potenziellen Kunden liefern können – was bringt uns dann dazu zu meinen, dass wir das auf größerer Skala schaffen? Wenn wir andererseits aber demonstrieren, dass wir Wert an eine kleine Teilmenge ausliefern können, ist unsere nächste Herausforderung nicht die Verdopplung, sondern die Verzehnfachung dieser Zahl. Die Mal-zehn-Rollout-Strategie funktioniert automatisch, um die riskantesten Bestandteile unseres Geschäftsmodells zu identifizieren.

Wenn wir eine gestufte Rollout-Strategie adaptieren, werden wir beobachten, wie der Geschäftsmodell-Lebenszyklus in etwa so auszusehen beginnt:

Das Bild oben hebt drei Stadien des Geschäftsmodell-Entwicklungsprozesses hervor: Problem/Solution Fit, Product/Market Fit und Skalierung, betont aber auch die Suche-versus-Ausführung-Natur der Geschäftsmodellentwicklung.

Wir starten mit einem breiten Spektrum an möglichen Geschäftsmodellen, die wir iterativ durch Experimente eingrenzen (Suche) auf ein einzelnes Geschäftsmodell, das wir zur Skalierung nutzen (Ausführung). Jedes der drei Stadien verfolgt dasselbe Ziel: die Steigerung der Traction. Worin sie sich unterscheiden, sind die Durchsatzrate (Meilenstein-Ziel) eines jeden Stadiums und das spezifische Set an Strategien und Taktiken, die wir anwenden, um diese Meilensteine zu erreichen.

Während dieses Bild die Evolution einer einzelnen großen Idee mit diversen Varianten zeigt, könnte es genauso gut die Evolution eines Portfolios von Innovationsprodukten zeigen, ausgespielt gegen das Erreichen eines großen Geschäftsmodell-Outcomes. Mehr dazu in einem künftigen Artikel.

Innovationsmanagement: Unsere Implementierung und unser Toolkit

Nehmen wir all das zusammen, ergibt sich diese Übersicht über den Prozess und das Tool-Set, mit dem wir gearbeitet haben:

Habe ich Sie verloren und zurückgewonnen?

Dieser Artikel wurde im Original am 4. August 2016 unter dem Titel Innovation Management von Ash Maurya veröffentlicht. Ash Maurya gehört zu den führenden Köpfen der internationalen Gründerszene und ist einer der renommiertesten Experten für Lean Startup und Customer Development. Die Website seines Unternehmens LEANSTACK und seinen Blog erreichen Sie unter http://leanstack.com. Mehr Fachartikel bietet unser Lean-Special.

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