Entrepreneurship: Liebe das Problem, nicht die Lösung! (Teil 1)

Ich wurde kürzlich nach den häufigsten Fallgruben gefragt, in die Entrepreneure hinein stolpern. Oben auf meiner Liste steht: sich in die eigene Lösung verlieben. Ich habe diese Prädisposition für die Lösung früher schon als die Voreingenommenheit des Innovators bezeichnet.

In der Naturwissenschaft besteht einer der Wege, diese Art von Voreingenommenheit zu überwinden, darin, von Grundprinzipien aus zu argumentieren. Das kann auch im Business angewendet werden.

Mithilfe von Grundprinzipien dampfen wir Dinge auf die fundamentalsten Wahrheiten ein.
– Elon Musk

Wie Sie in diesem Artikel sehen werden, ist die Voreingenommenheit des Innovators ein heimtückischer Troll, der seinen hässlichen Kopf nicht nur während der Ideenfindung zeigt, sondern über den gesamten Innovations-Lebenszyklus hinweg - und oftmals dann, wenn wir es am wenigsten erwarten. Bei jedem Schritt gehen die fundamentalsten Wahrheiten aus einem tiefen Verständnis der Probleme statt der Lösungen hervor.

Die große Idee

Wenn wir das erste Mal von einer Idee erwischt werden, ist die Lösung das, was wir am klarsten sehen und worauf wir den Großteil unserer Energie konzentrieren. Aber die meisten Produkte scheitern – nicht, weil wir daran scheitern, unsere Lösung auszubauen, sondern weil wir daran scheitern, ein Kundenproblem zu lösen, das "groß genug" ist.

All unsere initiale Energie sollte dahingehend kanalisiert werden, Belege für ein monetarisierbares Problem zu finden, und nicht dahingehend, mehr Ressourcen zu akquirieren, um unsere Lösung auszubauen.

Wie finden wir ein Problem, das "groß genug" ist?

Am Anfang müssen wir begreifen, dass unsere wahre Aufgabe darin besteht, einen Kunden zu erschaffen (und nicht unsere Lösung). Kunden sind von Ergebnissen und Resultaten getrieben. Suchen wir nach einer Aufgabe, die sie zu erledigen versuchen (jobs-to-be-done) und studieren wir, wie sie es schaffen, sie zu erledigen (bestehende Alternativen).

Wenn die Aufgabe adäquat erledigt wird, ist das eine schlechte Nachricht für uns, denn es ist schwer, eine bestehende Lösung durch ein gleichartig klingendes Wertversprechen zu ersetzen. Wenn wir andererseits erkennen, dass die Aufgabe nicht "gut genug" erledigt werden kann, ist das eine super Nachricht für uns. Die Hürden oder Probleme, die den Kunden dabei im Weg stehen, ihre gewünschten Resultate zu erzielen, bilden den Ort, an dem wir Raum für Innovation finden.

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Den Schwerpunkt von der Lösung auf das Problem zu verlagern, ist ein grundsätzliches Umdenken, das ich mit dem Lean Canvas verständlich machen wollte. Das ist der Grund, warum ich das ursprüngliche Business Model Canvas modifiziert habe.

Als Entrepreneure in Pitches ihre Business Model Canvas' vorstellten, hörte ich eine Menge darüber, was sie vorhatten zu bauen (Wertversprechen/Lösung), und eine Menge darüber, wie sie das an Kunden ausliefern wollten (Kanäle, Schlüsselaktivitäten, Schlüsselpartner, Schlüsselressourcen, Kundenbeziehungen). Aber ich hörte nichts darüber, warum Kunden die Lösungen eigentlich brauchen oder wollen oder wie man sie dazu kriegt, von dem, was sie heute tun, auf die neue Lösung zu wechseln.

Ein Geschäftsmodell ohne Probleme ist ein Problem.

Das Lean Canvas ist kein besseres Business Model Canvas, sondern ein anderes Canvas. Obgleich ich insgesamt vier Felder verändert habe, ist es schlicht die Ergänzung des Problemfeldes, die dazu beiträgt, das große Umdenken in dem daraus resultierenden Geschäftsmodell zu generieren.

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Fallgrube: Die meisten großen Ideen sind zu lösungszentriert.
Gegenmittel: Liebe das Problem, nicht die Lösung.

Das ständig wachsende Feature-Backlog

Spulen wir vor zu einem ausgelieferten Produkt – eines mit vielen Kunden. Mit vielen Kunden kommen viele neue Feature-Wünsche. Wem hören wir zu?

Wenn wir auf alle unsere Kunden hören, haben wir bald ein aufgeblähtes Monster unter den Händen. Selbst, wenn wir nur unseren wertvollsten Kunden zuhören, könnte es darauf hinauslaufen, dass wir Dinge bauen, die am Ende nicht mal diese Leute nutzen. Der Grund dafür ist, dass die meisten Feature-Wünsche als Lösungen gerahmt sind und nicht als Probleme. Und Kunden sind oft nicht gut darin, Lösungen zu ersinnen – sogar, wenn es um ihre eigenen Probleme geht.

Es ist nicht der Job der Kunden zu wissen, was sie wollen.
- Steve Jobs

Ein besserer Weg, die Feature-Requests der Kunden zu priorisieren, besteht darin, zuerst das Grundproblem zu verstehen, das die Anfrage angeregt hat. Wo befanden sie sich? Was versuchten sie zu tun? Warum?

Wir können all diese Fragen beantworten, indem wir einfach den oben erwähnten Jobs-to-be-done-Denkprozess anwenden.

Hier ist ein Beispiel aus unserer LEANSTACK-Software:

Feature-Request 1: Ich würde gern die Möglichkeit haben, mein Lean Canvas als PDF zu exportieren.
Feature-Request 2: Ich würde gern die Möglichkeit haben, die Farben des Lean Canvas' zu ändern.
Feature-Request 3: Ich würde gern die Möglichkeit haben, die Schriftart auf dem Lean Canvas zu ändern.

Das waren alles recht simple Feature-Wünsche, doch statt sie einfach zu implementieren, haben wir die Anfrager ans Telefon geholt. Wir fragten sie, was sie zu erreichen versuchten (Resultat), und erkundeten, warum das derzeitige Produkt hier keinen Erfolg brachte (Problem). In diesen Fällen lernten wir, dass die Nutzer ihre Lean Canvases in Investor-Präsentationen verwenden wollten, und die Standardansicht war visuell nicht interessant genug.

Wenn wir erstmal den Job verstanden haben, werden die Achsen von "besser" klarer.

Statt die Features wortgetreu zu implementieren, entwarfen wir ein Präsentationsmodus-Feature und zeigten es ihnen. Das war es, was wir schließlich umsetzten.

Fallgrube: Die meisten Feature-Wünsche von Kunden sind als Lösungen gerahmt, aber Kunden sind oft keine guten Lösungs-Designer.
Gegenmittel: Liebe das Problem, nicht die Lösung.

Im zweiten Teil des Artikels geht es um zwei weitere Fallgruben: den Fluch der Spezialisierung und die Vermeidung von Fehlschlägen.

Dieser Artikel wurde im Original am 11. August 2016 unter dem Titel Love The Problem, Not Your Solution von Ash Maurya veröffentlicht. Ash Maurya gehört zu den führenden Köpfen der internationalen Gründerszene und ist einer der renommiertesten Experten für Lean Startup und Customer Development. Die Website seines Unternehmens LEANSTACK und seinen Blog erreichen Sie unter http://leanstack.com. Mehr Fachartikel bietet unser Lean-Special.

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