Entrepreneurship: Es ist Zeit, den Business-Plan endgültig zu beerdigen (Teil 2)

Im ersten Teil des Artikels hat der Autor dafür plädiert, den Business-Plan als Relikt aus vergangenen Zeiten abzuschaffen: Statt 40-seitiger Business-Pläne, die dann doch kein Investor liest, brauche es schlanke und leichtgewichtige Business-Planning-Tools. Dieser zweite Teil knüpft nahtlos an diese Überlegungen an.

Das Lean Canvas

Das Lean Canvas ist so ein Werkzeug. Von Alex Osterwalders Business Model Canvas adaptiert, ist das Lean Canvas ein Geschäftsmodell auf einer Seite. Wie das Business Model Canvas nutzt auch das Lean Canvas ein Set von Bausteinen, die helfen, eine Schnappschuss der Story unseres Geschäftsmodells einzufangen.

Zwar hat das Lean Canvas viele Felder mit dem Business Model Canvas gemeinsam, doch das Lean Canvas wurde von Anfang an mit anderen und spezifischen Zielen entwickelt.

1. Macher-/Entrepreneur-fokussiert

Das Lean Canvas fußt grundsätzlich auf einem Customer-Problem-Solution-Paradigma, das nicht Macher-fokussiert ist. Während Geschäftsmodell-Puristen das Lean Canvas dafür kritisieren mögen, dass es zu produktorientiert ist, liegt gerade darin sein Reiz. Durch die Verkleidung eines Business-Planning-Werkzeugs als Tool zum Einfangen von Ideen bringen wir mehr Macher dazu, sich zu engagieren – was ein Gewinn ist.

Jeder Macher auf der Welt will über seine Lösung sprechen. Als musste es dafür ein Feld geben.

2. Die Voreingenommenheit des Innovators adressieren

Wenngleich es ein Solution-Feld auf dem Canvas gibt, ist es absichtlich eines der kleineren Felder. Nicht, weil es unwichtig ist, eine großartige Lösung zu bauen, sondern weil das Bauen einer Lösung nur ein Teil des wirklichen Produkts eines Entrepreneurs ist.

Das Geschäftsmodell und nicht die Lösung ist das wahre Produkt.

Wenn Entrepreneure anfangen, das Canvas auszufüllen, erkennen sie schnell, dass die kristallklare Idee im Kopf dann doch nicht so kristallklar ist. Außerdem scheitern die meisten Startups – nicht, weil sie daran scheitern, das zu bauen, was sie als Produkt abgesteckt haben, sondern weil sie daran scheitern, das richtige Produkt zu entwickeln, das Kunden wollen.

Ein tiefes Verständnis unserer Kunden und ihrer Probleme ist eine Voraussetzung dafür, etwas zu entwickeln, das Kunden wollen.

3. Einfach zu verstehen

Die anderen Bezeichnungen auf dem Canvas so einfach und intuitiv wie möglich zu halten, was ein weiteres wichtiges Design-Ziel. Ich habe mir am ursprünglichen Business Model Canvas die Zähne ausgebissen und musste mehrere Begriffe nachschlagen (wie Key Activity und Key Resources), um in der Lage zu sein, sie effektiv zu nutzen.

Ich wusste, dass es nicht funktionieren würde, wenn ich andere Entrepreneure auffordere, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, und man dafür ein Benutzerhandbuch braucht – gerade angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit von ihnen nach wie vor die Kein-Plan-Alternative fährt.

Bevor wir einen Kunden bitten, unser Produkt anzunehmen, müssen wir verstehen, was sie dafür abstoßen sollen.

Die Version des Lean Canvas, die hier zu sehen ist, wurde über tausende Stunden an Usability-Tests mit Entrepreneuren hinweg verfeinert und optimiert. Ich bin stolz, sagen zu können, dass das Lean Canvas den Highschool-Test bestanden hat. Es wird schon an Colleges und Universitäten verwendet, und zuletzt wurde es für einige Highschool-Lehrpläne adaptiert. Es wurde sogar schon von einer Gruppe Neun- bis Zwölfjähriger bei einer Art Startup-Wochenende erfolgreich genutzt!

4. Unterstützung der Suche statt der Ausführung

In den frühen Stadien eines Produkts scheint alles möglich zu sein, und es ist schwer, die Myriaden von Möglichkeiten in einem Business-Plan einzufangen. Die Lösung besteht darin, mehrere Geschäftsmodelle zu erstellen gegeneinander auszuspielen. Das ist der Prozess, den ich in meinem Buch beschreibe: Running Lean.

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5. Moderation von Konversationen

Die bei Weitem größte Transformation resultiert daraus, wenn man Entrepreneure ihre Ideen mit anderen teilen sieht. Wenn wir irgendwem eine Dokument von einer Seite Umfang vorlegen, kann er nicht anders, als es zu lesen, und kann er nicht anders, als eine Meinung zu haben. Und darin liegt der wahre Erfolg.

Wir können das Lean Canvas nutzen, um schnelles Feedback von Kollegen, Beratern und Investoren zu bekommen – was es uns erlaubt, Muster im Hinblick auf die riskantesten Annahmen in unserem Denken zu erkennen.

6. Möglichkeit zu iterieren

Die leichtgewichtige Natur des Canvas' bedeutet auch, dass wir es regelmäßig aktualisieren und es als fortlaufenden Artefakt nutzen können, mit dem wir die Evolution unserer Geschäftsmodell-Story abbilden. Während ein Business-Plan einen Planen-und-ausführen-Ansatz annimmt, vertritt das Lean Canvas einen iterativeren Suchen-dann-ausführen-Ansatz.

Die besten Pitches und Fortschritts-Updates werden als Geschichten überbracht.

Präventivschläge und andere Einwände

Veränderung trifft immer auf Widerstand, und beim Canvas ist das nicht anders. Lassen Sie mich ein paar der häufigsten Einwände ansprechen, denen ich begegnet bin.

1. Wird mein Investor ein Lean Canvas akzeptieren?

Das Lean Canvas erwachte 2009 zum Leben und kam zunächst bei Lean-Startup-Gründern im frühen Stadium zum Einsatz. Seitdem hat es sich schnell verbreitet. Heute wird es in hunderten von Universitäten, Acceleratoren, Startups und großen Unternehmen in aller Welt genutzt.

Die Liste der Universitäten
Die Liste der Acceleratoren

Das Geschäft von Investoren besteht im Geld-Verdienen – nicht im Lesen von Business-Plänen. Traction ist das, was sie vor allen anderen Dingen interessiert. Der Business-Plan war mal eine Stellvertretung für künftige Traction, mehr aber nicht. Wir sind weitaus besser bedient, wenn wir etwas frühe Traction erreichen, ehe wir uns einem Investor annähern. Das erreichen wir nicht durch die Erstellung eines Business-Plans, sondern durch Geschäftsmodell-Validierung.

2. Aber ich muss trotzdem einen Business-Plan abgeben

Wenn Sie trotzdem einen formalen Plan schreiben müssen, empfehle ich, einen halben Tag mit dem Skizzieren von Canvases zu verbringen, sie mit potenziellen Beratern zu teilen und dann ein, zwei Wochen lang Experimente durchzuführen, um Stresstests hinsichtlich der riskantesten Annahmen durchzuführen. Wenn wir uns dann hinsetzen, um nach alledem den Business-Plan zu verfassen, wird er faktischer (statt fiktiv) sein und eine bessere Chance auf Finanzierung haben.

3. Das Lean Canvas ist weniger detailliert als ein Business-Plan

Ja, es nicht nicht möglich, jeden Aspekt eines Unternehmens auf einer einzelnen Seite abzubilden, und das ist auch nicht das Ziel. Es wichtig zu verstehen, dass das Lean Canvas kein Standalone-Werkzeug ist, sondern ein Konversations-Tool.

Zu jedem unserer Business-Aspekte gelangen wir über eine Differenzierungsebene.

4. Kann ich das Lean Canvas einfach mailen?

Ich empfehle nicht, lediglich ein Lean Canvas ohne Kontext per Mail zu verschicken. Es ist weitaus effektiver, ein unterstützendes Fünf-Minuten-Video anzuhängen oder die Geschäftsmodell-Story am besten persönlich zu präsentieren.

5. Das Lean Canvas trifft keine finanziellen Prognosen

Das ist wirklich ein Manko. Eine Geschäftsmodell-Story allein ist nicht genug, um zu testen, ob sie eine Möglichkeit repräsentiert, die eine Investition wert ist.

Gleichwohl ist die Excel-Zauberei, die normalerweise in Business-Plänen gemacht wird, keinen Deut besser. Bei der Dimensionierung eines Geschäftsmodells geht es nicht darum, hunderte Zahlen umzupflügen, sondern darum, ein Bottom-up-Modell mit einer Handvoll Schlüsselmetriken zu entwickeln.

In meinem nächsten Buch Scaling Lean zeige ich, wie man eine fünfminütige Fermi-Problem-Technik nutzen kann, um ein Geschäftsmodell schnell zu beschätzen und ein projiziertes Traction-Modell zu bauen.

Hier gibt es einen Auszug aus Scaling Lean.

6. Was ist mit der Abbildung von Marketing-Plänen, Kanaldistributionen und anderer solcher Strategien?

Das Lean Canvas ist nur ein Werkzeug in einer Suite an Business-Planning-Tools. Es hat die spezifische Aufgabe, die Geschäftsmodell-Story einzufangen. Mit LEANSTACK bieten wir vier zusätzliche Tools an (alle so designt, dass sie ebenfalls auf eine Seite passen), die das Lean Canvas erweitern:

  1. Traction-Modell: bietet Dimensionierung und Roadmap für das Business
  2. Kundenfabrik-Blueprint: dekonstruiert Traction mithilfe von fünf Metriken
  3. Validierungsplan: fängt neue Feature-Ideen/Wachstumsstrategien ein, um sie zu testen
  4. Experiment-Report: bietet eine Checkliste für das Design guter Experimente

Zusammengenommen hilft diese Suite mit schlanken Tools Entrepreneuren, mehr Zeit mit der Entwicklung statt mit der Planung des Business zu verbringen.

Sind Sie bereit, Ihren Business-Plan zu entsorgen? Wenn nicht, was hält Sie davon ab?

Dieser Artikel wurde im Original am 25. März 2016 unter dem Titel It’s Time to Fire the Business Plan for Good von Ash Maurya veröffentlicht. Ash Maurya gehört zu den führenden Köpfen der internationalen Gründerszene und ist einer der renommiertesten Experten für Lean Startup und Customer Development. Die Website seines Unternehmens LEANSTACK und seinen Blog erreichen Sie unter http://leanstack.com. Mehr Fachartikel bietet unser Lean-Special.

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