Design Thinking ist nicht magisch, aber: Psst, sagen Sie es denen nicht!

Als der Begriff Design Thinking zum ersten Mal auf der Bildfläche erschien, fand ich das vollkommen verwirrend. Die Leute behandelten es, als wäre es eine revolutionäre neue Methodologie, um bessere Produkte und Dienstleistungen zu erschaffen. Sie sprachen davon, wie ganze Unternehmen diesen neuen Ansatz adaptierten und wie diese Unternehmen wettbewerbsfähiger wurden und einen enormen Anstieg der Kundenzufriedenheit sahen.

Nun, alle paar Jahre preist jemand irgend eine neue Vorgehensweise oder Methode an, die die Welt verändern wird. Das gehört zu dem, wie Berater ihr Geld verdienen. Brande eine Idee und verkaufe sie. Mach tonnenweise Geld, bis das nächste große Ding kommt. Ich bin diese Zyklen inzwischen also gewohnt.

Doch Design Thinking - das vor meiner eigenen Haustür. Es soll einen Wandel dahingehend bedeuten, wie Unternehmen über Design denken, und das ist es, woran ich in den letzten 37 Jahren gearbeitet habe. Ich musste mehr darüber herausfinden, was das ist.

Brauchten wir einen neuen Begriff?

Er war nicht schwer, Leute zu finden, die von Design Thinking begeistert sind. Sie schossen in vielen, vielen Organisationen aus dem Boden.

Als ich sie jedoch fragte, was Design Thinking ihrer Meinung nach bedeutet, verwunderten mich ihre Antworten. Sie erzählten mir von einem neuen Ansatz im Hinblick auf Design, der sich auf Problemlösungen in interdisziplinären Teams fokussiert und wettbewerbsfähige End-to-End-Lösungen hervorbringt, die Kunden, Nutzer und Mitarbeiter begeistern.

Probleme lösen? Interdisziplinäre Teams? End-to-End-Lösungen? Nutzer begeistern? Ich hatte die Integration dieser Elemente seit Jahrzehnten untersucht und darüber geschrieben. Was war daran neu?

"Nun, unsere Senior Manager sind wirklich hingerissen von Design Thinking. Mehr als jemals zuvor. Das ist das Neue!", sagten sie mir.

Eine ganze Weile kapierte ich es nicht. Es schien, als hätten wir einem alten Ding nur einen neuen Namen gegeben. Nichts war anders. Ich dachte, es würde nichts von Dauer sein.

War es aber. Überall, wo ich hinkam, gab es Präsentationen, in denen Leute erzählten, wie sie Design Thinking in ihren Organisationen eingeführt haben. (Meine Frau und ich spielten dieses Spiel: Jedes Mal, wenn wir jemanden in einer Präsentation "Design Thinking" erwähnen hören, muss jeder von uns versuchen, als erster "Ich designe mit meinen Gedanken!" zu sagen.)

Warum brauchten wir einen neuen Begriff? Design hatte perfekt funktioniert, dachte ich. Wir könnten jeden Satz mit Design Thinking nehmen und dafür jeweils nur das Wort Design einsetzen, und die Bedeutung ist dieselbe. Teufel, man könnte in den meisten Fällen einfach Thinking einsetzen und es würde immer noch funktionieren.

Gegen Design-ist-hübsch-machen-Sprüche ankämpfen

Jahrzehntelang musste ich tun, was jeder erfahrene Design-Profi immer wieder getan hat: erklären, warum Design mehr ist, als nur etwas hübsch zu machen. Wenn man mit anderen Designern arbeitet, verstehen sie es.

Aber sobald jemand, der kein Designer ist – also ein Laie –, mit dabei war, stellte ich fest, dass ich diese Leute davon überzeugen muss, dass es bei Design nicht nur ums Hübsch-Machen geht. Dass es um das Lösen von Problemen geht. Dass es um End-to-End-Lösungen geht.

Einige der Hübsch-machen-Sprüche kommen daher, wie Design in unserer Gesellschaft konnotiert ist. In TV-Shows wie Project Runway oder This Old House wird über Design als das Endstadium gesprochen, in dem alle Anstriche und Dekorationen hinzugefügt werden. Gehen Sie ins Home Depot oder zum Lowe's und Sie werden einen Ladenbereich finden, der Design Center heißt, wo sie Farben und dekorativen Schnickschnack verkaufen, mit dem Sie Ihre Zimmer ausstatten können. In dieser Design-Welt gibt es keine Diskussionen über zu lösende Probleme oder End-to-End-Lösungen.

Es ist wichtig, Design frühzeitig ins Projekt einzubringen, und zwar bevor das Team sich auf eine Lösung einschießt, damit es wirklich die Bedürfnisse der Nutzer erkunden kann. Doch wenn Sie das vorschlagen, ernten Sie diese belustigten Blicke. Warum sollten wir uns so früh um Design kümmern? Wir haben noch nicht mal rausgefunden, was wir jetzt gerade tun? Sie drängen es immer zurück und sagen uns, dass wir später wiederkehren sollen, wenn die Zeit für Design und fürs Aufpolieren gekommen ist.

Das waren jahrzehntelang unsere Kämpfe. Wir haben so viel Zeit mit dem Versuch verbracht, die Laien dazu zu kriegen, über Design im Rahmen einer größeren Definition nachzudenken. Aber sie verfallen stets zurück in die Vorstellung, dass es bei Design darum geht, etwas hübsch zu machen.

Design Thinking ist eine neue Rahmung für Design

Die Formulierung Design Thinking hat all das verändert. Für einen Laien war es völlig neu. Zwar besteht die Formulierung aus Wörtern, die sie kannten, aber die Kombination war neuartig. "Design Thinking? Was ist das?"

Dem Wort Design das Wort Thinking hinzuzufügen, war ein brillanter Schachzug. David Kelley und Tim Brown, die Gründer von IDEO, die diesen Begriff bekannt gemacht haben, waren so klug, sich die Fremdheit dieser Formulierung zunutze zu machen.

Für diejenigen unter uns, die das seit langer Zeit tun, bedeutet Design Thinking überhaupt nichts Neues. Aber es bedeutet auch nicht Hübsch-Machen. Und deshalb funktioniert es.

Es hat die Konversation verändert. Wenn wir dem Wort Design ein Thinking anfügen, geht es nicht mehr um Farben und Dekoration. Es geht nun um Prozesse. Es geht um einen Resultat, hinter dem Intention steckt. Es geht ums Nachdenken über das Nutzererlebnis der Kunden, User und Mitarbeiter.

Design Thinking ist ein Kürzel für einen neuen Weg, über den sich Nicht-Designer Design annähern können:

  • Wir werden die Dinge anders machen als wir es bisher immer getan haben.
  • Wir werden Probleme untersuchen, ehe wir uns mit Lösungen befassen.
  • Wir werden Anforderungen als Annahmen behandeln und sie validieren.
  • Wir werden unsere besten Ideen entflechten, bevor wir diejenige nehmen, die am besten zur Lösung passt.
  • Wir werden die Reise des Kunden kartographieren, um zu sehen, wo wir Mist gebaut haben.
  • Wir werden diverse Prototypen entwickeln und Usern dabei zuschauen, wie sie mit ihnen interagieren, um zu lernen, was am besten ist.

Im Wesentlichen ist Design Thinking die direkte Einbindung von Techniken wie Lean UX, Customer Journey Mapping und Prototyping in die Art und Weise, wie die Organisation im Tagesgeschäft arbeitet. Es geht darum, die grundlegenden, bewährten Design-Werkzeuge mit maximalem Effekt zu nutzen.

Der kundenfokussierte Problemlösungsansatz für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen fühlt sich für jeden, der sich lange Zeit nicht mit Design beschäftigt hat, magisch an. Die Leute begeistern sich dafür. Und sie sprechen darüber, als wäre es Zauberei.

Magie ist eine wunderbare Sache. Sie hilft uns, unsere Zweifel auszusperren. "Ja, Design Thinking kann schlussendlich all unsere Probleme lösen!" Diese neue Rahmung gibt dem Designer die Macht, den Widerstand von Führungskräften zu schwächen, denn sie unterstützt ihn dabei, große Probleme zu lösen und großartige Ergebnisse zu produzieren.

Der Reisende und die Steinsuppe

Die magischen Kräfte, die Leute Design Thinking zuschreiben, erinnern mich an eine alte osteuropäische Volkssage. Die Geschichte spielt in einer Zeit, in der Gehen die einzige Möglichkeit war, von einem Dorf zum nächsten zu reisen (noch bevor die Leute Pferde hatten). In jener Zeit war es üblich, Besuchern, die ins Dorf kamen, etwas zu essen anzubieten, damit sie nach solch einem langen Weg ihren Hunger stillen konnten.

Ein Reisender, der in einem neuen Dorf angelangte, klopfte an die Tür des ersten Hauses, das er sah. Doch ungeachtet der Tradition bot ihm der Hausbesitzer kein Essen an. Er erzählte, dass es eine Dürre gäbe und er kaum genug Nahrung habe, um die eigene Familie zu versorgen. Er könne nichts entbehren.

An jedem Haus, das der Wanderer besuchte, hörte er dieselbe Geschichte. Es herrsche Dürre und es gäbe kein übrig gebliebenes Essen. Als der Reisende die Dorfmitte erreichte, kam er zu dem Schluss, dass es an ihm selbst war, etwas zu tun. Er holte seinen Kochtopf heraus, entfachte ein kleines Feuer und machte sich daran, ein Abendessen zu kochen.

Er griff in seinen Sack und entnahm ihm einen runden Stein. Diesen legte er auf den Boden des Topfes und fing an zu rühren. Schnell begannen sich Dorfbewohner um ihn zu sammeln.

"Was tust du?", wollte ein neugieriger Dörfler wissen.

"Ich mache Steinsuppe", antwortete der Wanderer.

"Du kannst eine Suppe aus einem Stein kochen?", fragte der Einwohner.

"Ja, aber ein bisschen Wasser macht sie besser."

"In meinem Brunnen steht noch ein ein wenig Wasser", sagte ein anderer Dorfbewohner. Er lief los und holte das Wasser. Der Reisende goss es in den Topf und rührte weiter.

"Wie wird das schmecken?", fragte ein Dörfler, der neu hinzugekommen war.

"Nun, es würde mit ein paar Karotten besser schmecken." Als ein anderer Einwohner das hörte, eilte er zu seinem Haus, um in seinem kargen Garten einige Karotten zu ziehen.

Dann bot ein dritter Dorfbewohner an, ein paar andere Gemüsepflanzen zu holen, die er aus seinem Garten hatte retten können. Und eine Frau meinte, dass sie noch etwas Fleisch in der Vorratskammer habe.

"All das würde die Suppe sogar noch besser machen", sagte der Reisende. So liefen sie alle los, um zu holen, was sie hatten. Bald war der Topf mit einem schönen, großen Eintopf gefüllt. Der Wanderer teilte sein Abendessen großzügig mit den Einwohnern. Alle genossen eine herrlichen Abend beim Essen der Steinsuppe.

Nach diesen fröhlichen Stunden packte der Reisende zusammen, um seinen Weg fortzusetzen, und dankte allen für die Hilfe.

"Als Vergeltung für eure Freundlichkeit und Güte", verkündete er, "möchte ich eurem Dorf diesen Stein zum Geschenk machen. So könnt ihr selbst dann Suppe kochen, wenn eine Dürre euch plagt." Die Einwohner jubelten voller Freude.

Sie dankten dem Wanderer überschwänglich, als er das Darf verließ. Er machte sich auf die Weiterreise. Als das Dorf ein paar Meilen hinter ihm lag, sah er zu Boden und entdeckte einen hübschen runden Stein. Er nahm ihn auf und bewunderte ihn einen Moment lang. Dann verstaute er ihn in seinen Sack und setzte seinen Weg mit einem Lächeln im Gesicht fort.

Was denkt der Reisende?

Design Thinking ist unser Stein. Wenn wir Design Thinking anwenden, bringen wir die gesamte Organisation zusammen, um gemeinsam große Probleme zu lösen.

Aber für mich ist das nicht die tatsächliche Lektion aus der Geschichte. Ich lerne daraus, dass wir zu keinem Zeitpunkt der Handlung glauben, der Reisende würde denken, dass aus dem Stein eine Suppe werden würde.

Stattdessen sieht der Reisende, dass das Denken der Dorfbewohner neu ausgerichtet werden muss. Sie haben genug zu essen, wenn sie nur zusammenarbeiten. Der Stein ist nicht magisch. Er ist bloß ein Objekt.

Vielleicht glauben die Dörfler, dass aus dem Stein Suppe wird? Vielleicht erkennen ein, zwei kluge Einwohner, was der Reisende tut? Aber zu keinem Zeitpunkt hat der Wanderer selbst daran geglaubt, dass er aus einem Stein Suppe machen kann. Hätte er es, wäre er verhungert.

Als Design-Profis sollten wir nicht zulassen, dass wir daran glauben, an Design Thinking wäre irgend etwas magisch. Unsere Teams, Stakeholder und Führungskräfte können daran glauben, aber nicht wir. Täten wir es, würden wir uns auf etwas stützen, das nicht wirklich existiert.

Das ist das Geheimnis der Design-Profis. Psst! Sagen sie es denen nicht!

Dieser Artikel wurde im Original am 25. Januar 2017 unter dem Titel Shh, Don't Tell Them: There's no Magic in Design Thinking von Jared M. Spool veröffentlicht. Jared M. Spool gehört zu den führenden User-Experience-Experten unserer Zeit. Seine Website erreichen Sie unter http://www.uie.com. Weitere Artikel von Jared M. Spool finden Sie im UX-Special von //SEIBERT/MEDIA.

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