Jobs To Be Done: Ein gelegentlich nützliches UX-Hilfsmittel (Teil 2)

Im ersten Teil dieses Artikels hat Jared Spool das Innovationsprinzip "Jobs to be Done" vorgestellt und ist dabei zu diesem Zwischenfazit gelangt: Zwar kann JTBD  ein nützlicher Ansatz sein, weil es in der Produkt- und Innovationsentwicklung eine nutzerfokussierte Perspektive forciert. Allerdings bleiben die Vertreter dieses Konzepts eine Spezifikation schuldig, wie Jobs eigentlich aufgedeckt werden sollen; die konkrete Durchführung von Nutzerforschung spielt in JTBD offenbar keine Rolle. An diese Diskussion knüpft dieser zweite Teil nahtlos an.

Das Problem mit Jobs To Be Done

Es ist dieser Mangel an Definition dahingehend, wie Teams Nutzerforschung durchführen, der JTBD problematisch macht. Nicht, weil wir nicht wüssten, wie man es macht. Wir wissen eine Menge über die Erforschung unbefriedigter Bedürfnisse.

Mitte der 80-er Jahre initiierte Suzanna Bödkers Aktivitätstheorie diese Diskussion. In den Neunzigern gab uns Karen Holtzblatts und Hugh Beyers Kontextuelles Design Techniken speziell für Produkte und Dienste an die Hand. Es stecken Jahrzehnte der Arbeit hinter der Anwendung der modernen ethnografischen Techniken im heutigen Produkt- und Service-Design.

In jüngerer Zeit haben wir die Erkenntnisse in Indi Youngs Mental Models, Jaff Pattons Story Mapping, Dan Browns Discovery-Arbeiten und Gerry McGoverns Top Tasks sowie Tools wie Jeff Gothelfs Lean UX und Jake Knoffs Design Sprints gesehen. All diese Praktiken drehen sich darum, unerfüllte Bedürfnisse von Kunden aufzudecken.

Der Mangel an Definition ist problematisch, weil er die Botschaft vermittelt, dass Nutzerforschung kein kritischer Teil des JTBD-Ansatzes ist. Wenn man Christensen liest, könnte man denken, dass das Aufdecken des Jobs trivial ist und praktisch keine Zeit kostet.

Es ist enttäuschend, dass Christensen in seinem gut geschriebenen Buch, das wahrscheinlich die Aufmerksamkeit viele Führungskräfte erhält, nichts von dieser Arbeit erwähnt. Er behandelt seine Jobs-Theorie, als wäre sie etwas völlig Neues und gerade erst erfunden worden. (Ihm mag das tatsächlich so erscheinen. Vielleicht haben wir beim Werben für unser Wissensgebiet nach außen hin keine gute Arbeit geleistet und jene Business-School-Professoren, die von diesem Wissen profitieren könnten, nicht erreicht.)

Keines der Beraterbücher erwähnt die Expertise, die viele UX-Professionals besitzen. Einige gehen mit Blick auf ihre Beratungsumsätze so weit, dass sie versuchen, JTBD als eine schnellere, bessere und effektivere Alternative zu UX zu positionieren, was das Ganze noch problematischer macht.

(Jim Kallbach arbeitet an einem neuen JTDB-Buch. Wir lieben Jims Arbeit und sind zuversichtlich, dass er einen guten Job machen und zeigen wird, wie JTBD in die moderne UX-Design-Praxis integriert werden kann - etwas, das die bisherigen Bücher nicht getan haben.)

Jobs To Be Done ist ein gelegentlich nützliches Hilfsmittel

Professionelle Zauberkünstler, deren Tradition bis in Houdinis Zeit und davor zurück reicht, haben den Begriff Hilfsmittel geprägt, um ein Objekt zu beschreiben, das verwendet wird, um eine Illusion zu schaffen, ohne dass dafür Fähigkeiten in der Kunst der Illusionszauberei erforderlich wären. Wenn wir ein Hilfsmittel haben, machen wir ein ernstes Gesicht, drücken einen Knopf oder schalten das Ding auf irgendeine andere Art an - und voila: Das Publikum sieht den gewünschten magischen Effekt. Die Zuschauer wissen nicht, dass das Hilfsmittel aktiviert wurde. Das ist ein Teil des Zauberergeheimnisses.

Wenn Sie im Spielzeugladen schonmal ein Zaubererset für Kinder gesehen haben - das ist eine Kiste mit Hilfsmitteln. Professionelle Zauberer nutzen sie ebenfalls. Immer dann, wenn Sie sehen, wie jemand vor Ihren Augen in Stücke gesägt und dann wieder zusammengesetzt wird, nutzen die Künstler Hilfsmittel, um es geschehen zu lassen. (Sorry, falls ich diese Illusion nun gespoilert habe.)

Es gibt auch nicht-magische Hilfsmittel. Beispielsweise ist ein Vergrößerungsglas ein Gegenstand, der es dem Benutzer erlaubt, sich auf einen kleinen Teil der Welt zu fokussieren. Sie brauchen keine speziellen Visionskünste, um solche Details zu sehen. Halten Sie einfach die Lupe und neue Details werden enthüllt. (Wie Magie!)

Das Gerüst des Heuerns und Feuerns in JTBD ist ein Hilfsmittel. Es ist ein Instrument, um ein gemeinsames Verständnis des Verhaltens hinter unerfüllten Bedürfnissen zu enthüllen und zu erreichen. (Und es wirkt wie Magie, wenn es funktioniert.)

Wenn ein Team nach innen fokussiert ist und Features entwickelt oder über Vorteile nachdenkt, ohne herauszufinden, was die Kunden wirklich brauchen, kann JTBD helfen. Es kann die Teammitglieder dazu bringen, darüber nachzudenken, worin diese unerfüllten Bedürfnisse wirklich bestehen. Es ist ein schöner Weg, um einen nutzerfokussierten Ansatz im UX-Design zu forcieren.

Zwei Probleme mit Hilfsmitteln

Ein Problem mit Hilfsmitteln besteht darin, dass man sie nicht ständig nutzen kann. Wir können nicht mit einer Lupe vorm Gesicht durch die Welt laufen. Und ebensowenig funktioniert das Heuern/Feuern-Gerüst für alle Arten von Bedürfnissen.

Was sind die Jobs, für die ein Bankkunde die Bank-Website heuern oder feuern würde? Das wird auf Basis der spezifischen Nutzer und ihrer Bedürfnisse variieren. Erinnern wir uns: Jay heuerte die Website für diverse Aufgaben, feuerte sie aber für Geldtransfers. Was würde er tun, um Guthaben zu checken, um zu sehen, ob eine Einzahlung erledigt ist, um zu ermitteln, ob er sich Monatsraten für ein Auto leisten kann, um herauszufinden, wie viel er für den kommenden Urlaub ausgeben kann, oder um die Vielzahl anderer Aktivitäten durchzuführen?

Jobs to be Done kann bei den meisten komplexen Produkten und Diensten der heutigen Welt nicht helfen. Klar, wir könnten es auf spezielle Features oder Funktionen anwenden (und vielleicht sollten wir das auch tatsächlich häufiger tun).

Ein weiteres Problem mit Hilfsmitteln besteht darin, dass wir nicht lernen können, dieselben Resultate ohne das Hilfsmittel zu erreichen. Ein eigentlich nützliches Hilfsmittel wird zur Krücke. Die besten Zauberkünstler können jedoch Illusionen mit gewöhnlichen Objekten hervorrufen. Sie können sich ein gewöhnliches Objekt ausleihen, etwa Ihr Telefon oder Ihren Ring, um es verschwinden zu lassen, ehe es magischerweise an einer Stelle wieder zum Vorschein kommt, an der Sie es nicht erwartet haben.

Um auf dieser Ebene der Zauberkunst zu wirken, müssen die Künstler ihre Fertigkeiten in Manipulation und Irreführung schulen und verfeinern. Die Nutzung eines Hilfsmittels hilft ihnen nicht dabei, diese Fertigkeiten zu lernen und zu verbessern. Es ist ein komplett anderes Skill-Set.

Das gilt auch für UX-Design. Das Jobs-to-be-Done-Hilfsmittel funktioniert nur in bestimmten Situationen. Doch wir müssen innovative Produkte entwickeln, die vielversprechende, großartige Nutzererlebnisse bieten - und zwar auch dann, wenn JTBD nicht der richtige Ansatz ist.

Um diese Resultate zu erzielen, müssen wir ein anderes Skill-Set als JTBD meistern. Im besten Fall ist JTBD nur eine Ablenkung von den wirklichen Skills, die wir brauchen. Im schlimmsten Fall führt JTBD unser Team in die völlig falsche Richtung.

Wir müssen vorsichtig damit sein, Jobs to be Done zum ultimativen Innovationsprozess zu erklären, wie es Christensen und seine Nachfolger tun. Christensens Fallstudien machen sein Buch großartig. Sie tragen aber auch zu dem Anschein bei, JTBD wäre ganz einfach umzusetzen.

Die fehlende Anerkennung, dass UX-Design und Nutzerforschung in Christensens Innovationsprozess eine Rolle spielen, führt zu Problemen. UX-Design und Nutzerforschung werden nicht nur als unnötig angesehen; es wird nicht mal erwähnt, dass diese Methoden überhaupt existieren.

Die Jobs-To-Be-Done-Praxis fundieren

Jobs to be Done hat seine Anwendungsfälle. Wir müssen die Kontexte verstehen, in denen es Mehrwert liefert, und Alternativen identifizieren, wenn die Situation zu komplex ist, um es einzusetzen.

Jobs to be Done kann nicht für sich alleine stehen. Wir müssen die Methode mit der Expertise unterstützen, die wir in der jahrzehntelangen Entwicklung unserer Design-Forschungsmethoden aufgebaut haben. Bevor sie lernen, wie sie JTBD in einem Projekt anwenden, legen wir Teams ans Herz, die Techniken der folgenden UX-Design-Leader zu studieren und zu üben:

Darin steckt eine Fundgrube an Expertise. Dies ist der Hintergrund, den UX-Professionals haben sollten, wenn sie sich daran machen, den momentanen JTBD-Ansatz zu erkunden. Mit dieser Expertise in der Hinterhand werden sie sehen, dass JTBD ein gelegentlich nützliches Hilfsmittel ist, und genau wissen, wann sie diesen Ansatz verwenden müssen.

Dieser Artikel wurde im Original am 17. Januar 2019 unter dem Titel Jobs To Be Done: An Occasionally Useful UX Gimmick von Jared M. Spool veröffentlicht. Jared M. Spool gehört zu den führenden User-Experience-Experten unserer Zeit. Seine Website erreichen Sie unter http://www.uie.com. Weitere Artikel von Jared M. Spool finden Sie im UX-Special von //SEIBERT/MEDIA.

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