Die 100 Nanometer, die bei Führungskräften einen Sinneswandel ausgelöst haben

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Seit jeher versucht der Mensch, Dinge zu rationalisieren, um mehr aus weniger zu produzieren und um Zeit, Kosten und Ergebnisse zu optimieren. Das ist das ultimative Ziel eines jeden Unternehmens – unabhängig davon, ob klein, mittel oder groß. Und niemand kann sich dem entziehen, das steht fest.

Es beginnt mit dem Weckerklingeln am Morgen, dem Frühstück, manche von uns bringen ihre Kinder noch zur Schule, ehe sie weiter ins Büro fahren. Einige legen lange Wege mit dem Auto oder dem öffentlichen Nahverkehr zurück, denn wir wissen alle: Unser Traumjob ist selten direkt um die Ecke.

So haben die meisten Menschen das lange Zeit gemacht. Aber im März 2020 wurde die Welt von einem Ereignis durchgerüttelt, auf das niemand vorbereitet war: ein landesweiter Lockdown, um die Schäden und Folgen von Covid-19 einzudämmen. Und dieser Lockdown hatte dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft. Was passierte?

Es geht um die Vorstellung von Führungskräften, auf welche Weise ihre Organisationen zu führen seien. Sie mögen es, wenn sie ins Büro kommen und alle Leute an ihren Schreibtischen vorfinden, wo sie auf ihre Tastaturen eintippen und bis spät in die Nacht hinein arbeiten. Was viele Leader (wenn man sie denn so nennen kann) nicht realisiert hatten, ist die Tatsache, dass das Büro zwar ein Ort ist, an dem man seine Arbeit verrichten kann – aber nicht der einzige. Noch schlimmer: Viele Führungskräfte dachten, dass die Anwesenheit im Office der alleinige Weg wäre, um produktiv zu sein.

Produktiv zu sein, bedeutet zuallererst, dass man dafür verantwortlich ist, seine Arbeit gut zu machen. Und das geht im Büro oder zu Hause. Natürlich können nicht alle Jobs von daheim gemacht werden. Ein Elektriker oder ein Chirurg muss an Ort und Stelle sein. Aber für diejenigen unter uns, die im Dienstleistungssektor und in der Software-Branche tätig sind, ist das Büro jeder Ort auf der Welt, an dem wir Arbeitsergebnisse produzieren können. Es spielt keine Rolle, ob wir unter einer Palme oder am Schreibtisch sitzen. Davon bin ich so überzeugt, dass ich mal meine persönliche Geschichte erzählen möchte.

Gehen wir zurück ins Jahr 2009. Seinerzeit arbeite ich bereits seit 18 Jahren für das multinationale Unternehmen Autodesk an unseren Standorten in der Schweiz. Im März jenes Jahres lädt mich das Unternehmen ein, Teil einer neu gegründeten Gruppe zu werden: Build and Release Engineering unter der Leitung von Kurt Chase. Kurt sitzt im Office in Kalifornien, während ich in der Schweiz bin.

Unsere Zeitzonen liegen neun Stunden auseinander. Dadurch gibt es nicht so viele Zeitfenster am Tag, in denen wir miteinander sprechen können. Doch das ist kein Problem für uns: Während Kurt morgens auf dem Highway zum Büro pendelt, telefonieren wir, und einmal pro Woche haben wir ein formelles Meeting, um unsere Projektziele zu bewerten und zu planen.

Die Sache hat allerdings einen Haken. Kurt und ich hatten bis dahin nie die Gelegenheit zu einem persönlichen Treffen gehabt, und 2009 war, wie wir uns erinnern, eines der schwierigsten Jahre nach der Hypothekenkrise von 2008. Reisen waren bei uns stark beschränkt und ein gewöhnliches Teamtreffen war einfach nicht möglich.

Desungeachtet lief die Zusammenarbeit zwischen Kurt und mir wie geschmiert, alles per Telefon oder Skype. Aber eines Tages im August 2009 stellte Kurt mir eine Frage: "Hey Claudio, darf ich dich was fragen? Wenn du nicht antworten willst, ist das überhaupt kein Problem."

Ich sagte: "Schieß los! Frag, was du willst!"

"Ich habe das Gefühl, dass deine Stimme heute nicht wie die Stimme von Claudio klingt, und das sagt mir, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Ich hoffe, es ist nichts wirklich Ernstes."

Also erzählte ich Kurt von der Nachricht der Woche: Unser behinderter Sohn Fabrizio würde an der gewünschte Schule mit den anderen Kindern nicht angenommen werden. Kurt zeigte sich sehr betroffen und fragte mich nach unseren Optionen.

"Wir wissen, dass es in Italien eine volle Integration für Kinder wie Fabrizio gibt. Die einzige Chance wäre, dorthin zu gehen, aber ich werde dann einen neuen Job brauchen."

An dieser Stelle sagte Kurt: "Claudio, du kannst an jedem Ort auf der Welt arbeiten, wo immer es gut für Fabrizios Bildung ist."

Ich war wirklich überrascht. Als ich nach Hause kam, erzählte ich meiner Frau von den neuen Entwicklungen.

Ab Mitte September 2009 ging Fabrizio an eine italienische Schule und ich arbeitete von September bis Juni abwechselnd zwei Wochen im Autodesk-Office in der Schweiz und zwei Wochen von daheim in Italien. So funktionierte es, bis er 2014 die Grundschule abgeschlossen hatte.

In dieser Zeit habe ich mit meinem Kollegen mit demselben (oder vielleicht sogar mit einem noch größeren) Verantwortungsbewusstsein zusammengearbeitet, um meine Leistungen zu bringen. Das waren die Jahre eines radikalen Kollaborationsprojekts bei Autodesk, in denen ich Jira und Confluence von 30 auf 8.000 Nutzer hochskaliert habe. Während dieser Periode bekam ich stets einwandfreie Performance-Reviews und war dennoch zwei Wochen pro Monat nicht im Büro.

Das Maß an Vertrauen, das eine Führungskraft seinem Mitarbeiter schenkt, macht diesen Leader noch größer, denn damit sendet er eine Botschaft, die über den bloßen Ruf der Pflicht hinausgeht. Die Botschaft lautet: "Du bist in der Lage, es zu tun, und du wirst es außerordentlich gut machen!" Das verleiht uns eine solche Ermächtigung, dass man Bäume ausreißen könnte.

In den Jahren danach habe ich immer wieder von Freunden und Ex-Kollegen gehört, die in Unternehmen arbeiten, in denen Home-Office "keine Option" sei. Und nun erteilt ein 100 Nanometer kleiner Virus namens Covid-19 all den Führungskräften in diesen Organisationen die Lektion, dass es geht und dass sie das schon vor Jahren hätten machen können – so wie Kurt es getan hat. Wir brauchen mehr Leader wie ihn, und viele Führungskräfte sollten von ihm lernen.

Lassen wir uns keine Lektionen von einem Virus erteilen. Lernen wir sie besser von echten Leadern.

PS: Hier erfahren Sie mehr über Kurt.

Claudio Ombrella ist Mitbegründer und Co-CEO von Digilac in der Schweiz. Er wurde in Rosario (Argentinien) geboren und hat 27 Jahre in unterschiedlichen Informationstechnologie-Bereichen bei Autodesk gearbeitet, dem Hersteller von AutoCAD.

2007 initiierte er ein Pilotprogramm mit Jira und Confluence für 30 Leute. Die ausgezeichneten Ergebnisse führten dazu, dass die Initiative fortgeführt werden konnte und die Systeme für insgesamt 8.000 Nutzer im Unternehmen implementiert wurden. Heute ist Claudio zertifizierter Atlassian Professional und hat bereits bei drei Gelegenheiten auf dem Atlassian Summit gesprochen. Außerdem ist er Atlassian Customer Testimonial.

In seinen ersten Jahren mit Jira und Confluence arbeitete Claudio sehr eng mit Atlassian zusammen, um die Performance von Jira kontinuierlich zu verbessern. Die Resultate dieser Optimierungen und Forschungen sind in seiner Präsentation Jira Performance After 300,000 Issues - Atlassian Summit 2012 zu sehen.

Claudio ist studierter als Systemanalyst an der Universidad Argentina de la Empresa und besitzt einen Post-Graduiertenabschluss in Communication Networks der EPFL – the Swiss Federal Institute of Technology in Lausanne. 1996 implementierten Claudio und sein Kollege Erne Jonas die HTML-Kompression für Browser und HTTP-Server. Heute verwenden alle Browser und Web-Server diese Technologie.

Claudio ist per E-Mail unter claudio.ombrella@digilac.ch oder über sein LinkedIn-Profil zu erreichen.


Artikelbild auf der Startseite von Anna Shvets unter Pexel’s Licence

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