Moderne Organisationsentwicklung (Episode 6): Weg von, hin zu

Seibert Media ist auf dem Weg zu einer kollegialen Netzwerkorganisation. Inzwischen haben wir die ersten Hürden schon hinter uns. Welche Schritte sind wir bereits gegangen, für welche Herausforderungen haben wir schon Lösungen gefunden und was steht als Nächstes an? Darüber berichten wir euch laufend in unserem Podcast "Echt jetzt? – Seibert Media denkt Agilität neu". Jo Seibert in seiner Funktion als interner Agile Coach und Alina Hamm, ganz neu in dieser Podcast-Gesprächsrunde, diskutieren mit Ralf Janssen von Kompano, der unser Unternehmen bei der Neustrukturierung begleitet.

In den ersten Folgen von "Echt jetzt?" konntet ihr erfahren, warum wir uns für die kollegiale Führung entschieden haben und welche Veränderungen notwendig sind, um den Prozess anzustoßen. Die ersten Ergebnisse sind zu sehen: Arbeitskreise haben sich gebildet, Wahlen wurden initiiert; es ging um Wahlverfahren, um laute und leise Meinungen und um die Frage, ob wir vielleicht zu agil sind.

In der sechsten Episode stehen die Portfoliokreiswahlen im Fokus, die gerade stattgefunden haben. Jo, Alina und Ralf diskutieren darüber, wie der OE-Kreis Veränderungsdynamik mit zwölf Thesen schaffen möchte und welche Rollen in der kollegialen Führung überhaupt gebraucht werden. Außerdem werden zwei Hörerfragen beantwortet, die es in sich haben.

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Haben wir uns vorab zu viele Gedanken gemacht?

Es gibt Wahlen, da kennt man das Ergebnis schon vorher. Nicht so bei unseren Portfoliokreiswahlen – übrigens die erste Rollenwahl, die vollständig remote stattgefunden hat. "In einigen Teams sind nicht diejenigen gewählt worden, die vielleicht erwartet worden wären", so Jo. Und Alina bestätigt: "Und dadurch sind auch viele Menschen noch mal mit kollegialer Führung in Kontakt gekommen." Dass die Ergebnisse teilweise recht überraschend waren, sei, so Ralf Janssen, ein gutes Zeichen für ein Unternehmen, das sich in Richtung kollegialer Führung entwickeln möchte.

Im ersten Treffen des frisch gewählten Portfoliokreises kam die Frage auf: Braucht es wirklich, wie geplant, eine Aufteilung der Gruppe in eine Kerngruppe und eine Resonanzgruppe? Jo berichtet von der Diskussion:

"Mein Eindruck war, dass wir da eigentlich schon fast zu viel vorausgedacht haben. (…) Wir hätten auch schneller starten können. Und wir haben uns zu viele Gedanken gemacht, statt einfach auszuprobieren. Es hätte alles schlanker laufen können."

Ralf fasst diese Erkenntnis so zusammen:

"Lieber klein und schnell und vielleicht unfertig anfangen, aber anfangen, als sehr, sehr lange nachzudenken – das ist sicherlich eine Erkenntnis daraus."

Und was ist mit der Aufteilung der Portfoliogruppe – 15 Menschen kommen hier zusammen? Da ist Ralf neutral: Auch hier müsse man einfach mal in der Praxis ausprobieren, ob es funktioniert, wenn 15 Leute die gleiche Verantwortung tragen. Aus seiner Erfahrung sei das eher ineffektiv.

Mit zwölf Weg-von-hin-zu-Thesen Veränderungsdynamik schaffen

Es gibt verschiedene Wege, um in einem Unternehmen Veränderungen in Gang zu setzen und Visionen zu verankern. Dazu ist es wenig sinnvoll, wenn der OE-Kreis, wie Alina es formuliert, "sich im stillen Kämmerlein lauter tolle Sachen ausdenkt". Veränderung geht alle etwas an. Dazu hat der OE-Kreis auf einem Strategietag zwölf Thesen nach dem Prinzip "Weg von, hin zu" aufgestellt. Der Gedanke dahinter: Erst wenn beides klar ist – also zum einen das, was man nicht mehr will, und zum anderen das, was man will – entsteht Veränderungsdynamik, meint Ralf.

Zu den zwölf Thesen, die am Ende des Strategietages nicht an ein Portal genagelt, aber doch erarbeitet waren, gehören Themen, die bereits in den letzten Podcast-Folgen diskutiert wurden, zum Beispiel:

  • Weg vom Silodenken, hin zu "teamübergreifend an einem Strang ziehen"
  • Weg von "laut gibt den Ton an", hin zu "Kompetenz und situativ passende Meinungen entscheiden"
  • Weg von informellen Machtstrukturen, hin zu transparenten Entscheidungsprozessen

Echt jetzt Organisationsentwicklung 1

Alle Weg-von-hin-zu-Thesen sollen in einem Hybrid-Workshop zur Diskussion gestellt werden. In diesem Format können sie in der Breite und in der Tiefe ausgelotet, modifiziert, kritisiert und ergänzt werden. Ziel ist es, noch einmal bewusst zu machen: Was wollen wir bei Seibert Media mit dem Veränderungsprozess bewirken? Wie der Workshop gelaufen ist, berichten wir dann in der nächsten Podcast-Folge.

Welche Rollen braucht es in der kollegialen Führung?

Beim Strategietag des OE-Kreises gab es noch einen anderen wichtigen Punkt, erzählt Alina: "Wir haben uns überlegt, welche Rollen brauchen wir?" So existiert in der kollegialen Führung beispielsweise die Rolle des Gastgebers. Sie ist bewusst mit wenig Macht und wenig Ausrichtung ausgestattet worden und vor allem dazu da, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass man sich trifft und produktiv arbeiten kann.

Ralf führt dazu aus, dass die kollegiale Führung besagt, dass Führung verteilt wird und es regelmäßig wiederkehrende Entscheidungsbedarfe gibt, für die kein basisdemokratischer Prozess in Gang gesetzt werden soll. Vielmehr soll es einen Prozess geben, bei dem im Pool-Prinzip gemeinsam Verantwortung übernommen wird. Deshalb kommen Rollen ins Spiel, was aber nicht unbedingt zu einem veränderten Gehalt führen muss, zum Beispiel wenn jemand die Gastgeberrolle übernimmt. Anders ist es bei den Fachrollen, die viel Verantwortung tragen.

Hörerfrage 1: Was ist denn eigentlich ein Service Owner?

An dieser Stelle wirft Jo die Frage von Carsten in die Runde ein. Der hakt konkret nach, was es denn mit dem Service Owner bei Seibert Media auf sich hat. Hintergrund dieser Frage ist, dass es in Scrum im Prinzip nur den Product Owner gibt, nicht aber einen Service Owner.

Jo kann dazu folgende Erklärung liefern: Bei Seibert Media hat es sich so ergeben, dass der Service Owner vom Product Owner "abgeleitet" wurde, um die Dienstleistungen abzubilden – ohne eine fixe Definition der Rolle. Denn die Verantwortlichkeiten sind nicht klar festgelegt. Beispielsweise ist unklar, ob nicht doch auch eine Führungsaufgabe für das Team damit verknüpft ist.

Weiterhin ist die Frage offen, ob der Service Owner die Aufgabe hat, die Dienstleistung erfolgreich zu machen oder ob er "nur" für das Funktionieren der Abläufe zuständig ist. Teilweise übernimmt der Service Owner bei Seibert Media die Aufgabe des Team Coaches oder auch Aufgaben in der Personalführung. Das sorgt für eine Vermischung verschiedener Verantwortlichkeiten.

"Das klingt aber irgendwie schon ganz schön nach Teamleitung", meint Alina, und Jo bestätigt: "Da hast du, lieber Carsten, mit deiner Frage den Finger genau in eine offene Wunde gelegt." Ralf kommentiert abschließend, dass der Service Owner dennoch keine reine "Erfindung" von Seibert Media ist.

Hörerfrage 2: Wie genau läuft eine Widerstandsabfrage ab?

Die zweite Hörerfrage hat es gleichermaßen in sich, wie sich herausstellt. Matthias hat unter anderem danach gefragt, ob es nach der Widerstandsabfrage um reine Zahlenwerte oder um inhaltliche Kommentare geht. Das ist ebenfalls nicht so leicht zu beantworten, obwohl es zunächst einfach erscheint.

Die zentrale Logik bei der Widerstandsabfrage liegt darin, dass nicht nach der Zustimmung gefragt wird, sondern nach dem Widerstand. Der Zahlenwert verändert die Kommentare und in erster Linie ist es zunächst ein Zahlenwert zwischen zwei Werten, der erhoben wird: Wie hoch ist mein Widerstand gegen die Version A oder wie hoch ist mein Widerstand gegen die Version B? Damit hätte man zwei Zahlenwerte ermittelt. Nun muss der Unterschied herausgebildet werden: Also dort, wo der geringere Widerstand ist, wird die Entscheidung gefällt.

So weit, so gut, doch wenn die inhaltlichen Kommentare ins Spiel kommen, wird die Frage etwas komplizierter. Damit sind wir im Bereich des systemischen Konsensierens. Diese Variante dauert wesentlich länger und ist deshalb auch nicht immer sinnvoll, zum Beispiel wenn es um Entscheidungen geht, die nicht alle betreffen. Dann ist die sogenannte verkürzte Widerstandsabfrage die schnellere Lösung.

Für Grundlagenentscheidungen dagegen ist es ratsam, sich die Zeit zu nehmen und Meinungsrunden abzuhalten. So kann, um die Frage doch noch zu beantworten, bei der Widerstandsabfrage der Zahlenwert entscheiden oder aber die inhaltlichen Kommentare, je nach der Priorität des Themas, um das es geht.

Was erwartet uns in der nächsten Podcast-Folge?

In der siebten Podcast-Folge, die auf Spotify und Co. bereits zu hören ist, blicken Alina, Jo und Ralf auf ein Jahr kollegiale Führung bei Seibert Media zurück und lassen die Entwicklungen und Erfahrungen der vergangenen Monate mal Revue passieren. Auch dazu wird es in Kürze einen zusammenfassenden Blog-Beitrag geben. In diesem Sinne: Stay tuned, wir hören uns 2022 wieder!

Weiterführende Infos

From Teamwork to Network: Einblicke in die Organisationsentwicklung bei Seibert Media
Moderne Organisationsentwicklung: Was kommt nach agilen Teams?
New Leadership: Führung im Kontext von New Work
Agilität neu denken: Durch kollegiale Führung den Spagat zwischen Chaos und Konzern meistern


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