Read this article in English.
Den folgenden Vorgang dürften viele Internet-Nutzer kennen: Man surft auf einer Website und findet einen Link „Kontakt“. Man klickt den Link an und startet damit eine Irrfahrt durch die Tiefen seines Rechners. Denn der Link führt nicht etwa auf ein Kontaktformular, sondern dazu, dass die Festplatte brummt, der lokal installierte Mail-Client startet (oder eingerichtet werden will) und allerlei zusätzliche Fenster aufgehen. Während man gerade noch gemütlich durch das Web gesurft ist, muss man nun plötzlich Stromschnellen meistern und turmhohe Wellen abwehren.
Der Kontakt-Link ist in diesem Fall ein sogenannter Mailto-Link, der automatisch eine E-Mail-Software aufruft – selbst wenn der User diese nicht nutzt. Mailto-Links auf Websites sind in dreierlei Hinsicht problematisch: Sie führen zu Usability-Problemen, erschweren das Tracking und können ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Usability-Probleme
Kein lokaler E-Mail-Client installiert
Viele Nutzer verwenden Web-Mail-Dienste und greifen über web.de, gmx.de und Co. auf ihre E-Mails zu. Der Mailto-Link kann jedoch nur sinnvoll genutzt werden, wenn Outlook, Thunderbird oder ein vergleichbares Programm eingerichtet und konfiguriert ist, also die entsprechenden POP3- und SMTP-Server-Adressen angegeben worden sind. Dieser Umstand ist natürlich nicht allen Nutzern bekannt, wenn sie auf einen Mailto-Link klicken. Der Link startet dann die nicht installierte (aber auf den meisten Rechnern vorhandene) Mail-Software, die ersteinmal eingerichtet werden will. Die Mehrzahl der User versteht diesen Vorgang nicht und ist verwirrt. Und selbst diejenigen, die wissen, was geschieht, sind verärgert.
Enttäuschte Nutzererwartungen
Die meisten User erwarten beim Klick auf einen Link, dass sich eine neue Seite im Browser öffnet. Die Nutzer bewegen sich im Web und das machen sie mit dem Internet Explorer, Firefox oder einem anderen Web-Browser. Wenn stattdessen eine lokal installierte Software gestartet wird, führt das häufig zu Verwirrung und Unmut. Das ist eine Reaktion, die man in User-Tests insb. bei Personen mit geringer Technik-Affinität immer wieder beobachten kann. Schon PDF-Dokumente, die sich im schlanken Acrobat Reader öffnen, rufen kritische Blicke und negative Kommentare hervor. Ein fetter Mail-Client kann zu tiefen Sorgenfalten und einem Gefühl absoluter Ohnmacht führen; "der Rechner macht eben mal wieder, was er will". Eine der wichtigsten Usability-Heuristiken, die der Nutzerkontrolle, wird hier komplett missachtet.
Kritisch ist das auch, weil der User sich beim Klick auf einen Kontakt-Link an einem kritischen Punkt der Nutzung befindet. Er hat die Entscheidung getroffen, den Anbieter zu kontaktieren. Wenn es direkt darauf zu massiven Problemen und einem Gefühl des Unbehagens kommt, wird dieser Entschluss möglicherweise revidiert und der Kontaktversuch abgebrochen.
Lange Ladezeiten
Das Laden einer Mail-Anwendung kostet Rechner-Ressourcen und geschieht langsam. Unter Umständen klickt der User den Mailto-Link sogar mehrfach an, weil der Client bis zum Start ein bisschen Zeit benötigt – mit dem unerfreulichen Resultat, dass sich die Mail-Software ebenfalls mehrfach und in mehreren Fenstern öffnet. Bei alten Rechnern kann der Start des Programms im schlimmsten Fall sogar zum Absturz führen.
Mangelnde Erfolgskontrolle
Ein weiterer Problemkomplex im Zusammenhang mit Mailto-Links ist die Erfolgskontrolle, die sich mit Tracking-Tools wie Google Analytics sehr genau durchführen lässt. Jede Anfrage via Kontaktformular wird festgehalten und es lässt sich präzise ermitteln, wie viele Nutzer die Kontaktseite aufgerufen und wieviele ein Formular tatsächlich abgeschickt haben. Den Investitionen in Online-Marketing-Kampagnen kann die Zahl der Conversions gegenübergestellt werden, auch die Kosten pro Conversion lassen sich genau darstellen. Wenn man den Wert der Anfrage beziffern kann (in den meisten Fällen ist das leider nicht ohne weiteres möglich), lässt sich sogar eine Rendite berechnen. Die Verwendung eines Kontaktformulars ermöglicht also eine genaue Kosten-Nutzen-Analyse.
Diese Analyse ist deutlich schwieriger, wenn zusätzlich oder ausschließlich Mailto-Links angeboten werden. Zwar kann man messen, wie häufig der Mailto-Link angeklickt wurde, aber das Anklicken des Links führt nicht immer zum Abschicken einer Mail. Also müssten per E-Mail eingehende Anfragen und Tracking-Daten irgendwie zusammengeführt werden, was automatisiert kaum gelingen dürfte oder sehr aufwändig ist. Das exakte Bestimmen von Kosten pro Anfrage und Rendite der Kampagne jedenfalls ist nicht mehr möglich.
Zudem ist eine standardisierte und vor allem effiziente Weiterbearbeitung von E-Mail-Anfragen deutlich schwieriger. Ein Problem besteht beispielsweise darin, dass im (via Mailto geöffneten) Mail-Programm meist Empfänger und Betreff bereits vorgegeben sind. Wird nun etwa der Betreff vom Nutzer nach eigenem Ermessen vom User verändert, landet die E-Mail möglicherweise nicht beim gewünschten Adressaten und im korrekten Filter, wodurch die Kommunikation verzögert oder gar verhindert wird.
Sicherheitsprobleme
Skripte
Die wenigsten User wissen oder berücksichtigen, dass E-Mails Skripte enthalten können. Diese Skripte werden analysiert, wenn der Mail-Client versucht, die Nachricht zu lesen. Wenn die Client-Software Administrator-Privilegien hat (was bei den meisten Windows-Nutzern der Fall ist), kann sie Skripte ausführen, die das ganze System beeinflussen können. Dass dafür der User verantwortlich ist, der ja mit der Website interagieren muss, um den Client über den Mailto-Link zu öffnen, mag als Argument angeführt werden. Allerdings hat wohl jeder schon mal versehentlich einen Mailto-Link angeklickt.
Generell gilt natürlich, dass ein Skript ohne Lücke in der E-Mail-Software nicht auf das lokale System zugreifen kann. Insb. ältere Rechner oder nicht gepatchte Outlook-Versionen bergen aber nach wie vor Risiken.
Spam
Ein zweiter sicherheitsrelevanter Aspekt betrifft die Gegenseite, also den Website-Betreiber, der Mailto-Links auf seiner Seite einsetzt: Wenn gewisse Sicherheitsmaßnahmen nicht getroffen werden, erweisen sich Mailto-Links nämlich als Anziehungspunkt für Spam.
Spammer nutzen meist Programme, die automatisch nach Mailto-Einträgen auf Websites suchen: Spam-Bots durchforsten den Quelltext also gezielt nach der Zeichenkette „mailto“ und dem @-Zeichen. Auch deshalb sollten Betreiber darauf verzichten, E-Mail-Adressen als Link darzustellen.
Fazit
Mailto-Links werden von vielen Website-Betreibern wohl schlicht missverstanden: Was einst als komfortabel gegolten haben mag, stört und irritiert die meisten Nutzer heute und ist auch für den Betreiber gefährlich. Mailto-Links erschweren dem User die Kontaktaufnahme (zudem bieten moderne Browser die Möglichkeit, die Mailto-Funktion zu sperren) und können zu Abbrüchen führen, erschweren oder vereiteln die Erfolgskontrolle und sind unter Sicherheitsaspekten nicht unproblematisch.
Auf einer modernen Website hat die Mailto-Funktion nichts verloren. Gute Kontaktformulare sind wesentlich effektiver und können dank moderner Technologien noch dazu ein positives Nutzungserlebnis schaffen.
Weiterführende Informationen
Formulare: Usability-Probleme und ihre Vermeidung
Lohnen sich Spam-Filter in Unternehmen?
Der Bestellvorgang: Was häufig schiefgeht und was User frustriert?
Mehr über die Creative-Commons-Lizenz erfahren