Was ist ein Job to be Done (JTDB)?

Von dem Framework bzw. der Theorie Jobs to be Done haben Sie wahrscheinlich schon gehört. Bei mir war es vor etlichen Jahren, als ich erstmals mit der Milchshake-Studie in Berührung kam, die von Clayton Christensen bekannt gemacht wurde.

Ich war sofort fasziniert und hatte mehr Fragen als Antworten.

Ich las alles, was ich finden konnte, und arbeitete sogar an der Seite diverser JTBD-Vordenker und -Praktiker, darunter Bob Moesta, Chris Spiek, Tony Ulwick und Alan Klement. Viele ihrer Arbeiten beeinflussten die Entwicklung und die weiterhin fortlaufende Evolution des Projekts Customer Forces Canvas and the Innovator's Gift.

Aber auch nach all der Recherche ließen zwei Dinge nicht davon ab, mich zu stören.

Erstens sind die gebräuchlichen Definitionen eines JTBD, die man findet, zirkulär, polymorph und absichtlich vage. Zweitens fühlen sich viele Fallstudien, auf die ich gestoßen bin, wie geschickte Zaubertricks an - in der Rückschau offensichtlich, doch für das eigenen Produkt schwer zu reproduzieren.

Ich will zunächst versuchen, das Definitionsproblem anzugehen. Ich glaube, dass es uns automatisch auch beim zweiten Problem voranbringt, wenn wir mit einer klareren, prägnanteren und einfacheren Definition starten.

Das Definitionsproblem

Hier ist eine Zusammenstellung einiger Definitionen:

Zirkuläre Definition: "Leute kaufen keine Produkte, sie heuern sie an, damit ein Job erledigt wird."
Ein Job ist also etwas, das die Leute erledigen wollen. Was ist das?

Polymorphe Definition: "Eine Aufgabe, ein Ziel oder ein Anliegen, die bzw. das eine Person umzusetzen versucht, oder ein Problem, das sie lösen will."
Aufgaben, Ziele und Probleme sind separate und verschiedenartige Dinge. Wie kann ein Job drei unterschiedliche Dinge sein?

Absichtlich vage Definition: "Ein Job to be Done beschreibt den Fortschritt, den Leute zu machen versuchen."
Wie betrachten und analysieren wir Fortschritt?

Sie werden bemerkt haben, dass ich bei diesen Definitionen die Zuschreibungen weggelassen habe. Das war absichtlich. Erfahrene Praktiker sollten kein Problem damit haben, die Quellen zu identifizieren, und wer neugierig ist, sollte sie einfach nachlesen können. Ich habe sie weggelassen, weil ich keine Urteile sprechen (oder Kontroversen schaffen) will, sondern versuchen möchte, die Teile durch Dekonstruktion zusammenzusetzen.

Die folgende Definition hat mir geholfen, JTBD klarer zu sehen. Ich würde mich sehr über Ihre Meinung dazu freuen.

Was also ist ein Job to be Done?

Eine simplere Definition: Ein Job to be Done ist eine Instanziierung eines unerfüllten Bedürfnisses oder Verlangens (als Reaktion auf einen Auslöser).

Hinweise: Man könnte argumentieren, dass wir dies noch weiter vereinfachen könnten: Ein Job ist ein unerfülltes Bedürfnis oder Verlangen. Das ist als Definition aber nicht aktionabel. Was einen Job von einem Job to be Done differenziert, ist das Gefühl von Dringlichkeit, das ein Auslöser im Hinblick auf ein unerfülltes Bedürfnis oder Verlangen erzeugt.

Alle Jobs starten mit einem Auslöser

Trigger-Ereignissen begegnen wir den ganzen Tag über, was bedeutet, dass wir den ganzen Tag lang auch Jobs to be Done begegnen:

  • Es ist 12:36 Uhr und mein Magen knurrt. Ich muss etwas essen.
  • Es ist 19:36 Uhr und mein Magen knurrt und es ist der Geburtstag meiner Frau. Ich will sie in ein schickes Restaurant ausführen.

Ein Auslöser definiert den Kontext, der den Job to be Done prägt.

Hinweis: Fortschritt muss nicht bahnbrechend oder strategisch sein. Er kann einfach darin bestehen, mich von hungrig zu gesättigt zu bringen.

Meist definieren Gewohnheiten, was wir tun...

Für jeden Auslöser, auf den wir treffen, neue Lösungen finden zu müssen, würde zu viel kognitive Last generieren. Also setzen wir zumeist auf bestehende Alternativen (zum Beispiel den Ort, wo wir Mittag essen).

Hinweise: Manche JTBD-Praktiker fokussieren Jobs to be Done ausschließlich auf das Heuern und Feuern von Produkten; sie meinen also Käufe oder Wechsel. Ich entkopple einen JTBD von einem Wechsel oder eine Kauf. Man könnte auch einfach ein vormals gekauftes Produkt wiederverwenden.

...bis wir auf einen schaltenden Auslöser treffen

Ein schaltender Auslöser ist ein spezieller Trigger, der mit einer Erwartungsverletzung einhergeht. Das ist dann der Fall, wenn wir feststellen, dass unsere bestehenden Alternativen nicht gut genug sind, um den Job zu erfüllen. Das ist auch der Fall, wenn wir neue und andere Lösungen suchen.

Was könnte uns im Beispiel des Mittagessens dazu bringen, ein neues Restaurant aufzusuchen?

  • eine Veränderung der Umstände, zum Beispiel der erste Tag in einem neuen Job
  • eine schlechte Erfahrung, zum Beispiel eine Magenverstimmung nach dem Essen am bisherigen Ort
  • ein Aufmerksamkeitsereignis, wenn wir zum Beispiel gehört haben, dass das neue Restaurant endlich eröffnet hat

Hinweise: Auslöser instanziieren Jobs to be Done, wofür wir vertraute Lösungen bevorzugen (bestehende Alternativen). Schaltende Auslöser erzeugen Erwartungsverletzungen, die Räume für neue Lösungen eröffnen.

Geheuert zu werden, ist nur die erste Schlacht

Wenn sie sich zu einem Wechsel angetrieben sehen, evaluieren und testen Kunden oft mehrere Produkte, um jenes zu finden, das den Job am besten erledigt. Geheuert zu werden, ist zwar ein wichtiger erster Schritt, aber es bleibt ein erster Schritt. Wenn wir es nicht schaffen, schnell Wert zu liefern (Aha-Moment) und uns dann als neuen Status quo zu etablieren (Gewohnheitsmoment), finden wir uns wahrscheinlich recht schnell selbst auf der Feuern-Liste wieder.

Hinweise: Beim Erledigen eines Jobs geht es nicht nur um Beschaffung. Aktivierung und Beibehaltung sind die Aspekte, auf die es ankommt.

Bedürfnisse versus Verlangen

Bedürfnisse sind funktional, Verlangen sind emotional. Bedürfnisse haben Nutzen. Verlangen haben Energie. Bedürfnisse favorisieren bestehende Lösungen, Verlangen bevorzugen neue Lösungen.

Es ist Platz für beide.

Wir tendieren dazu, uns auf unerfüllte Bedürfnisse zu fokussieren, um bestehende Lösungen zu optimieren. Wir tendieren dazu, uns auf unerfüllte Verlangen zu fokussieren, um nach neuen Lösungen zu suchen. Bedürfnisse leben im Lösungskontext, Verlangen leben in einem größeren Kontext.

Hinweise: Die effektivsten Marketing-Trigger regen unsere Verlangen an, nicht unsere Bedürfnisse. Wenn Apple ein neues Produkt ankündigt, tätigen die Leute sofort einen emotionalen Kauf. Die Feature-Liste lesen sie dann später, um ihren Kauf zu rationalisieren.

Im größeren Kontext finden wir neue Räume für Innovation

Jedes Produkt existiert in mehreren Kontexten: im Lösungskontext und im größeren Kontext.

Das Streben nach besseren Produkten sollte zwar Outcome-getrieben sein, doch nicht alle unmittelbaren Ergebnisse sind wünschenswert. Beispielsweise könnten wir einen stärkeren Bohreinsatz entwickeln, der nicht bricht, was zu einem besseren "Loch in der Wand" führt. Aber ein "Loch in der Wand" ist nicht das gewünschte Endergebnis.

Auf der Jagd nach wünschenswerten Outcomes bewegen wir uns über den Lösungsraum hinaus und in den größeren Kontext hinein. Zu häufig aufzuleveln, kann schnell metaphysisch und nicht-aktionabel werden. Aber die meisten Innovatoren leveln überhaupt nicht auf.

Es ist besser, aufzuleveln und aus dem Scope zu geraten und die Dinge dann einzukreisen, als sich in Einzelheiten zu verzetteln.

Das wird manchmal mit disruptiver Innovation gleichgesetzt - alte Jobs mit neuen Lösungen zu erledigen.

Wenn wir uns wirklich schnell bewegen und im Hinblick auf die unerfüllten Bedürfnisse und Verlangen unserer Kunden kontinuierlich aufdecken, priorisieren und liefern, verfolgen wir keine erhaltende oder disruptive Innovation. Das alles ist Continuous Innovation.

Dieses Vorgehen positioniert unser Produkt nicht nur als Wechselanreger. Viel wichtiger: Es positioniert unser Produkt gegen Wechsel.

Wenn wir im größeren Kontext Wert liefern, können wir Wechsel auslösen. Um wiederum Wechsel zu verhindern, müssen wir kontinuierlich daran arbeiten, für unsere Kunden relevant zu bleiben.

Langsam kommen wir vom eigentlichen Thema ab, also beende ich die Sache für dieses Mal.

Addendum

Falls Sie sich fragen, inwiefern das Customer Forces Canvas den Customer Factory Blueprint betrifft - bitte sehr:

Die Customer Factory ist ein systemischer Blick darauf, wie Kunden sich durch unseren Produkttrichter bewegen und dabei fünf Stadien von unwissenden Besuchern zu leidenschaftlichen, glücklichen Kunden durchlaufen.

Die Customer Forces beschreiben die internen Kräfte, denen ein Kunde während der Transitionen zwischen diesen Stadien ausgesetzt ist.

Dieser Artikel wurde im Original am 3. April 2019 unter dem Titel What is a Job-To-Be-Done (JTBD) von Ash Maurya veröffentlicht. Ash Maurya gehört zu den führenden Köpfen der internationalen Gründerszene und ist einer der renommiertesten Experten für Lean Startup und Customer Development. Die Website seines Unternehmens LEANSTACK und seinen Blog erreichen Sie unter http://leanstack.com. Mehr Fachartikel bietet unser Lean-Special.

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