Agile Leadership: Moderne Führung auf dem unsicheren Weg der agilen Transformation (Teil 1)

Agile Leadership: Moderne Führung und digitale Transformation

Eine Revolution, die die ganze Welt erfasst

Vor rund zwei Jahrzehnten trafen sich 17 Menschen in den Bergen von Utah, um die Welt der Softwareentwicklung und des Projektmanagements zu revolutionieren. Aus diesem Treffen ging das agile Manifest hervor, eine Sammlung aus vier Grundwerten und zwölf simplen Prinzipien – und diese Werte und Prinzipien mit den dahinter liegenden Mindsets haben die Prozesse, wie wir Produkte entwickeln und ausliefern, dramatisch verändert. Heute hat Agile die Welt der Produktentwicklung und Zusammenarbeit tief durchdrungen, und das weit über Software und IT hinaus.

Warum streben Unternehmen danach, agil zu werden? Die Motivation für diesen Wandel ist kein Geheimnis: Agile Organisationen sind in der Lage, schnell auf veränderte Kundenbedürfnisse und Marktbedingungen zu reagieren. Sie liefern kundenzentrierte Dienste und Produkte in kleinen Iterationen aus. Sie sind wettbewerbsfähiger und robuster, sie bringen schneller Innovationen hervor, sie verkürzen die Zeit von der Idee bis zur Marktreife und erhöhen die Produktqualität, ohne ihre Budgets zu überreizen.

Agile auf Teamebene und die Skalierung

In Sachen Agilität sind viele kleinere Unternehmen klar im Vorteil gegenüber großen Organisationen. Sie können schnelle Entscheidungen treffen und sich agil organisieren, ohne dass ihnen die Beschränkungen langfristiger Planungen, die teils über Jahre in die Zukunft reichen, auferlegt sind. Je größer ein Unternehmen wird, desto schwieriger wird es, eine lean-agile Arbeitsweise beizubehalten und zu skalieren.

In einzelnen Teams, Start-ups und kleinen Unternehmen ist es nicht allzu schwer, die agile Pflanze zum Gedeihen zu bringen und ihre Früchte zu ernten. Aber in größeren und großen Organisationen ist diese Reise weiter, beschwerlicher und voller Unwegsamkeiten.

Während sich ein Team weitgehend selbst organisiert, braucht es beim Skalieren agiler Arbeitsmethoden über die Teamebene hinaus Leute, die die Verantwortung für die Verwirklichung des kulturellen Wandels tragen. Denn dieser ist die Voraussetzung dafür, dass die agilen Arbeitsweisen überhaupt die ersehnten Vorteile mit sich bringen können. Ein geeigneter Ansatz dafür kann Agile Leadership sein – agile Führung durch Führungskräfte.

Alte Methoden werden in einer neuen Zeit unbrauchbar

Ein autonomes Team oder ein Start-up kann bei seinen Entscheidungen flexibel und spontan sein. Ganz anders stellt sich die Lage in einem großen, traditionell organisierten Unternehmen dar: Hier plant die Unternehmensführung in langfristigen Horizonten, sie entwickelt Strategien und setzt Ziele, sie liefert Produkte und Dienstleistungen nach fixen, häufig rigiden organisatorischen Strukturen aus.

Über Jahrzehnte hinweg waren diese Unternehmen mit ihrem Ansatz erfolgreich. Und viele erfahrene Führungskräfte in traditionellen Organisationen greifen auf Management-Methoden zurück, die sich für sie über lange Zeit hinweg als zielführend erwiesen haben. Doch heute sind die Hürden höher: Disruptive Produkte erscheinen schneller und in höherer Frequenz als je zuvor am Markt; sie werden von agileren, dynamikrobusteren Unternehmen entwickelt – und es braucht Wege, mit dem Wettbewerb Schritt zu halten.

Die Methoden, die eine Organisation in der Vergangenheit groß und erfolgreich gemacht haben, sind nicht die geeigneten Rezepte für eine erfolgreiche Zukunft in einem Marktumfeld von nie dagewesener Komplexität.

Wie kann eine große Organisation agil werden?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es im Unternehmen längst kleine Teams gibt, die nach dem Graswurzelprinzip ihre eigene agile Reise angetreten haben. Viele Coaches und Scaled-Agile-Fachleute sind der Ansicht, dass nun insbesondere die Führungskräfte des Unternehmens gefragt sind, die Skalierung voranzutreiben und neue Rollen einzunehmen.

Welche sind das? Wie kann die Unternehmensführung dieses Momentum nutzen? Wie kann es gelingen, diese Teams, die ihre eigenen unabhängigen Entscheidungen treffen, zu synchronisieren? Wie können Führungskräfte vermeiden, unbeabsichtigt selbst Blockaden zu errichten?

Manche Organisationen starten mit ein, zwei Gruppen und einem Agile-Coach. In anderen Fällen gibt es Förderer auf höchster Ebene, die versuchen, die Gesamtorganisation agiler zu machen und ein Alignment zwischen Business- und technischen Teams herzustellen. Welcher Ansatz auch verfolgt wird – es braucht in jedem Fall die Unterstützung und das Einverständnis seitens der Unternehmensführung. Der Weg in Richtung Business Agility erfordert Agile Leadership, und das bedeutet, auf Veränderungen hinsichtlich des Führungsstils, der Teams und der Arbeitsweisen vorbereitet zu sein.

Leicht gesagt. Doch bei Agile Leadership geht es nicht darum, praktische Abläufe wie verkürzte Entwicklungszyklen zu implementieren oder eines der zahlreichen Agile-Frameworks zu adaptieren. Vor allen Dingen kommt es auf eine Änderung der Denkweise an. Ohne diesen Wandel im Denken und die damit einhergehende Veränderung der Management-Praktiken wird Scaled Agile ein unerfülltes Versprechen bleiben. Doch was ist damit konkret gemeint?

Am Anfang steht immer eine Evaluation und daran anknüpfend auch eine Veränderung bei Führungskräften, und zwar eine, die sowohl die Führungseigenschaften als auch die dahinter stehenden Überzeugungen beinhaltet.

Stell dir vor, du hast eine neue Kollegin, die zuvor bei einem Wettbewerber tätig war. Sie hat viel Erfahrung in der Softwareentwicklung und im Projektmanagement. Außerdem ist sie niemand, der lange um den heißen Brei herumredet, war bereits Teil agiler Teams und unterstützt die Entscheidung, das Unternehmen agil aufzustellen. Welche Eigenschaften, Werte und Handlungsweisen machen sie, als den Prototypen einer agilen Führungskraft, aus?

Agile Leadership – Eigenschaft #1: Authentizität

Weit oben auf der "Checkliste für Agile Leader" steht Authentizität. Um wirklich authentisch zu sein, braucht eine Person die Fähigkeit zur Selbstreflexion, Aufgeschlossenheit, Engagement und Entschlossenheit. In einem Umfeld, das die Agile-Transformation ernsthaft verfolgt, müssen Führungskräfte "echt" sein, meinen, was sie sagen, und sagen, was sie meinen. Dabei dürfen oder sollten sie sich nicht von internen Strömungen und Politik so beeinflussen lassen, dass sie nur noch bestimmte Interessen vertreten. Agile Leader kümmern sich um die Teammitglieder ebenso wie um die Kunden – denn sie sind es, die die Gehälter der Angestellten zahlen.

Authentisch zu sein, heißt also nicht,

  • sich vordergründig auf einen Kurs zu verpflichten, während man eigentlich vorhat, einen anderen zu verfolgen.
  • von den Teams zu erwarten, dass sie agile Arbeitsweisen implementieren, während man selbst es nicht tut.

Stattdessen bedeutet Authentizität,

  • jeden Tag auf der Arbeit sein wahres Selbst zu sein und zu leben und
  • dem Team offen und achtsam gegenüber zu treten.

Agile Leadership – Eigenschaft #2: Transparenz

Die Teams im Unternehmen wollen und müssen wissen, in welche Richtung sie gehen sollen. Kann eine Führungskraft ihnen die Pläne des Managements erklären? Je offener die Mitglieder der Unternehmensführung den Teams kommunizieren, was passiert und warum, desto loyaler werden sie sein. Und wenn Führungskräfte an einer Stelle nicht wissen, wie etwas funktionieren und verwirklicht werden kann, sollten sie es offen zugeben: Dann arbeiten die Teams und die Führungsmannschaft von diesem Punkt aus gemeinsam weiter und finden eine Lösung. Gerade ein solches Vorgehen bietet auch Vorteile: Zum einen ist es hochgradig transparent, zum anderen werden die Beteiligten voll hinter dem entwickelten Ansatz stehen, da sich alle einbringen konnten.

Was Transparenz nicht ist:

  • Nicht eingestehen können, dass man nicht weiß, wie man zu Business Agility gelangen will.
  • Sich und seinen Teams den Stempel "agil" verpassen, ohne die notwendigen Denkweisen im Unternehmen zu fördern.
  • Sich weigern, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Was Transparenz ist:

  • Ehrlich sein, auch wenn man unsicher ist.
  • Besonnen sein, wenn man auf Herausforderungen trifft.
  • Fehler zugeben und sich bei Bedarf Hilfe suchen.

Agile Leadership – Eigenschaft #3: Selbstbewusstsein

Jeder kennt den Prototyp des klassischen, traditionell orientierten Managers (oder auch der Managerin) – jene Führungskraft, die denkt, dass sie immer richtig liegt, und zu der man mit Ideen und Vorschlägen kaum vorzudringen vermag. Doch Selbstbewusstsein beginnt mit der Einsicht, dass du, wie alle um dich herum, nicht alles weißt. Zusammen mit der Selbstregulierung prägt Selbstbewusstsein unsere emotionale Intelligenz bei der Arbeit.

Was Selbstbewusstsein nicht ist:

  • Reden, als ob man Recht hätte, und argumentieren, als ob man Recht hätte.
  • Sich weigern, die Ideen oder das Feedback der Teams zu berücksichtigen.

So drückt sich echtes Selbstbewusstsein aus:

  • Argumentieren, als ob man Recht hätte, und zuhören, als ob man Unrecht hätte.
  • Kontinuierliche Reflexion und Neubewertung der eigenen Stärken und Schwächen.

Im demnächst folgenden zweiten Teil werden wir uns mit Überzeugungen, Verhaltensweisen und Praktiken im Zusammenhang mit Agile Leadership beschäftigen. Stay tuned!

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Weiterführende Infos

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